Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
menschliche Verantwortung für ihn haben. Er hat infolge des Spiels der Umstände in den letzten Jahren eine ganze Menge mitmachen müssen.«
    »Wie geht es ihm denn jetzt? Was meinst du?«
    »Schwer zu sagen. Es gehört irgendwie zu seiner Persönlichkeit, sich nachgerade unmenschlich zusammenzunehmen, wenn er einen Auftrag ausführt. Dann wird er wie einer seiner Computer. Aber es macht ihm sehr zu schaffen, so daß er zwischen den Aufträgen in Grübeleien und Niedergeschlagenheit versinkt.«
    »Machst du dir Sorgen um ihn?«
    »Nicht, wenn er arbeitet. Na ja, das heißt… Was er unter Arbeit versteht. Unsere Schreibtischarbeit liegt ihm nicht sonderlich.«
    »Aber die erledigt er ja auch, und übrigens sehr gut.«
    »Aber ja, das wäre ja noch schöner. Er hat eine bessere Ausbildung als jeder von uns, und außerdem ist er ein ziemlich heller Junge. Kein Genie, aber clever.«
    »Du meinst, in Moskau könnte er dann sowohl Urlaub machen als auch einen Job übernehmen?«
    »Ja, und vor allem bekommen wir die Arbeit erledigt. Das würde einige Probleme lösen.«
    »Ja, nicht nur einige. Wollen mal sehen, was der OB von dieser munteren kleinen Idee hält.«
    »Es ist jetzt dein Job, ihn zu überzeugen.«
    »Was hast du denn früher gemacht, wenn du ihn überzeugen mußtest?«
    »Normalerweise habe ich ihm erst hinterher berichtet. Allerdings habe ich auch keine Militärattachés ernannt, und das ist ein schweres Gewerbe. Glaubst du, daß die Gewerkschaft Ärger machen wird?«
    »Natürlich wird sie das. Wie alt ist er?«
    »Vierunddreißig Jahre. Ein recht junger Fregattenkapitän.«
    »Fregattenkapitän?«
    »Ja, ich habe mir gedacht, du könntest das dem OB vorschlagen. Er kann außerplanmäßige Beförderungen beschließen. Als einen einfachen Ausdruck unserer Wertschätzung, also der Streitkräfte. Außerdem dürfte er auf Bällen einen eleganten jungen Marineattaché abgeben, ich meine, mit der Ehrenlegion und all diesen Auszeichnungen.«
    »Schluckt die Regierung das? Der Verteidigungsminister muß neue Militärattachés schließlich bestätigen.«
    »Sie haben ihn ja schon mal als stellvertretenden Marineattaché in den Libanon geschickt. Die Geiseln sind gestern abend übrigens freigelassen worden. Er dürfte jetzt also nach Hause kommen.«
    »Ja, es scheint am Ende doch einigermaßen leicht gegangen zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß er seinen diplomatischen Auftrag fehlerfrei erledigt hat.«
    »Aber was hältst du von dem Projekt?«
    »Ich glaube, es könnte gutgehen. Das heißt, ich glaube, den OB dazu bringen zu können, den Vorschlag zu akzeptieren.«
    »Und die Gewerkschaft?«
    »Das ist Sache des OB. Wenn er sich erst mal entschieden hat, sind die Verhandlungen meist sehr kurz.«
    »Und die Russen?«
    »Wieso die Russen?«
    »Ja, die müssen den neuen Marineattaché doch akzeptieren?« Samuel Ulfsson lachte zum erstenmal seit sehr langer Zeit hell auf.
    Über Småland ragten kilometerhohe, kathedralenähnliche Haufenwolken in die Höhe. In einem schwindelerregend offenen Tal sah Carl plötzlich ein Stück von der Olandsbrücke. Die Maschine aus Damaskus hatte also endlich schwedisches Territorium erreicht, falls das jetzt noch überhaupt eine Rolle spielte.
    Carl lehnte den Kopf ans Fenster und betrachtete die Wolkenformationen. Er versuchte, den Kopf völlig leer werden zu lassen; bald würde alles zu Ende sein. Noch ein paar Stunden, dann war alles vorbei.
    Er sah sie ganz deutlich vor sich. Sie saß unten am Felsenstrand und hatte die Knie bis unters Kinn hochgezogen. Ganz in der Nähe angelte jemand mit einer langen Rute und Senken; er hatte noch nie einen dieser Fischer etwas an Land ziehen sehen und wußte nicht einmal, welchen Fisch sie angelten.
    Sie trug Krankenschwesternuniform und er Jeans. Sie hatten eine Runde durch das Krankenrevier des Flüchtlingslagers gedreht, und er hatte sich als vermeintlicher Journalist von Zeit zu Zeit Notizen gemacht. Als sie unten am Strand saßen, hatte er den Block noch immer in der Hand.
    Die Sonnenwärme ließ ihre Haut auf der verbrannten Gesichtshälfte erröten und spannen. Es fiel ihm schwer, das Thema anzuschneiden. Es war geschehen und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Als er sie schließlich fragte, sagte er nur ein einziges Wort - »Karim?«
    Sie saß eine Weile stumm, das Kinn auf die Knie gestützt. In diesem Moment war es unglaublich, sie sich in der gesprenkelten Felduniform mit den Rangabzeichen eines Oberstleutnants

Weitere Kostenlose Bücher