Feindfahrt
sagen.« Necker warf seinen Fallschirm auf einen Stuhl und nahm dankbar eine Zigarette. »Acht Stunden nichts weiter als dieses verdammte Meer und einen asthmatischen Backbordmotor. Davon abgesehen war der Flug natürlich ein reines Vergnügen.« Maier grinste. »Macht nichts. Ich habe Ihre zweitägige Einsatzpause vorgezogen. Das wird Ihre Laune doch sicher bessern , nicht wahr?« »Wieso?« fragte Necker mißmutig. »Sie werden schon Ihre Gründe ha ben.«
»Abänderung der Einsatzpläne. Die Herren ganz oben sind der Ansicht , daß Sie sich in den nächsten vierzehn Tagen wieder mal gründlich um Schottlands Westküste und die Hebriden kümmern sollten.« Er lächelte. »Sie wollten doch Aktivität, mein Lieber. Na schön, jetzt sind Sie damit eingedeckt. Zwei neue Spitfire-Staffeln sind in dieser Woche an die Ostküste verlegt worden. Das wird Ihnen die Sache ein bißchen schmackhafter machen.«
»Oh, vielen Dank.« Necker wurde auf einmal munter. »Um was geht's denn?«
»Unseren Informationen zufolge fahren Konvois aus Kanada in letzter Zeit die Nordroute, gehen also viel dichter an Island heran. Und Sie müssen bei Ihren Aufklärungsflügen viel weiter auf den Atlantik raus. Mindestens achthundert Kilometer west lich der Äußeren Hebriden.«
»Dann können wir aber nicht lange bleiben.«
Maier zog eine Seekarte heran und nickte. »Wir werden Ihnen verbesserte Abwurftanks geben. Damit müßten Sie zusätzlich achthundert Kilometer schaffen. Außerdem wird man Ihr GMISystem so verändern, daß Sie Schottland überfliegen können , ohne unter fünfunddreißigtausend Fuß zu gehen. Die Fachleute behaupten sogar vierzig , aber ich würde mich nicht drauf ver lassen. Wie dem auch sei . Sie bleiben außerhalb der Reichwei te der Spitfires.«
Das GMI-System arbeitete mit Stickstoffoxydul , das in die Vorverdichter eingespritzt wurde , wo es bei Flügen in großer Höhe zusätzlichen Sauerstoff für die Verbrennung lieferte und die Motorkraft um zwanzig Prozent erhöhte.
Necker studierte die Seekarte. »Das ist ein ziemlich weiter Weg.« Maier klopfte ihm lächelnd auf den Arm. »Wenn Sie ein paar Tage Ruhe gehabt haben , wird er Ihnen kürzer vorkom men.«
Der Wind ließ gegen Abend stark nach und die Deutschland rauschte , von einer Brise aus Südwest geschoben, mit vollen Segeln in die zunehmende Dunkelheit.
Richter hatte die erste Wache; außer ihm und einem Mechani kermaat namens Endrass , der am Ruder stand , war niemand auf dem Achterdeck. Der Bootsmann lehnte bequem an der Reling , rauchte ein Zigarillo und genoß die Nacht , den Halbmond und die fern am Horizont leuchtenden Sterne , deren Licht von ei nem feinen Dunst über dem Wasser gedämpft wurde. Um neun Uhr ging er auf das Vorschiff , um den Ausguckpo sten zu kontrollieren . Auf dem Rückweg blieb er bei den Backbord-Besanwanten stehen und untersuchte eine Laschung des Großsegelbaums , die sich gelöst hatte . In diesem Moment vernahm er hinter sich eine Bewegung, und Maria trat aus dem Schatten zwischen den Rettungsbooten hervor. »Helmut!« Ihr Gesicht war ein bleiches Oval. Sehnsüchtig streckte sie ihm die Hände entgegen , die Richter ergriff. »Aber Maria , was machst du hier?«
»Ich beobachte dich seit einer halben Stunde, wie du auf dem Achterdeck auf und ab wanderst. Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr herunterkommen.«
»Du mußt sofort wieder unter Deck gehen«, befahl er. »Auf der
Stelle.«
»Aber warum denn?«
»Weil Schwester Angela um dein Wohlergehen besorgt ist. Ich habe dem Käpt'n mein Wort gegeben, daß ich mich für den Rest der Fahrt von dir fernhalte.«
»Und du?« fragte sie ihn. »Bist du auch um mein Wohlergehen besorgt?«
»So wahr mir Gott helfe.« Er versuchte, seine Hände aus den ihren zu lösen.
»Laß mich, Maria. Ich habe mein Wort gegeben. Verstehst du das nicht?«
»Ich verstehe nur eines«, antwortete sie. »Daß ich mein Leben lang Angst gehabt habe. Aber wenn ich mit dir zusammen bin...« Ihr Griff wurde fester.
Sein letzter Widerstand war gebrochen; liebevoll nahm er sie in die Arme.
Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Als Novizin kann ich ohne Schwierigkeiten aus dem Orden austreten, sobald wir in Kiel sind. Und dann...« Er küßte sie zärtlich.
»Was in Kiel geschieht , steht auf einem anderen Blatt. Vorerst dürfen wir uns aber nicht mehr sehen.« »Wie lange noch?« fragte sie sehnsüchtig.
»Wenn wir Glück haben , vierzehn Tage. Nur müßten wir dann ein bißchen
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