Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
nach
drinnen trug. »Elizabeth!«, rief er, als er das Gasthaus
betrat. »Steh auf, Frau!«
Einen Augenblick später erschien eine rundliche, aber
attraktive ältere Frau auf der Treppe, und der Wirt legte
Caleb auf einen Tisch. »Es ist Caleb«, sagte er.
»Seid Ihr McGrudder?«, fragte Tad.
»Ja, und das hier ist mein Gasthaus, der Schlafende
Hahn. Und wer seid ihr beiden, und wie ist mein Freund
in diesen jämmerlichen Zustand geraten?«
Die Frau untersuchte rasch die Wunden und sagte: »Er
hat viel Blut verloren, Henry.«
»Das sehe ich selbst, Frau. Tu, was du kannst.«
»Tad und ich kommen aus Stardockstedt«, sagte Zane
und berichtete rasch von dem Überfall.
»Verdammte Banditen«, sagte McGrudder. »Vor ein
paar Wochen hat eine keshianische Patrouille aus Yadom
nach ihnen gesucht.«
»Na ja, jetzt sind sie alle tot.«
»Alle?«
»Fünf Männer«, sagte Zane. »Tad und ich haben zwei
von ihnen getötet, Caleb die anderen drei.«
»Ihr habt zwei erledigt?«, fragte McGrudder und
schwieg dann, als die Jungen nickten.
Als er weiterhin schwieg, murmelte Tad verlegen:
»Wir hatten Glück.«
»Wahrhaftig«, sagte McGrudder.
Die Frau namens Elizabeth warf ein: »Henry, ich
glaube nicht, dass ich noch etwas tun kann. Er ist zu
schwach.«
»Verdammt«, sagte der Wirt. Dann brüllte er: »Margaret!«
Innerhalb einer Minute erschien ein junges Mädchen,
etwa im Alter der Jungen, durch eine Tür hinten im
Schankraum. »Zieh dich an, und lauf zur Hütte der Hexe.«
Das Mädchen riss die Augen weit auf. »Zur Hexe!«
»Mach schon!«, rief der Wirt. »Dieser Mann hier liegt
im Sterben.«
Margaret wurde blass, und sie verschwand wieder
durch die Tür. Kurz darauf kam sie erneut heraus, diesmal in einem schlichten grauen Kleid und mit Lederschuhen. McGrudder wandte sich Zane zu und sagte:
»Nimm die Laterne, und geh mit ihr. Die alte Hexe redet
nicht mit Fremden, aber sie kennt Margaret.« Zu Margaret sagte er: »Sie wird nicht kommen wollen, aber wenn
sie dich wegscheuchen will, sagst du Folgendes:
›McGrudder sagt, es ist Zeit, eine Schuld zurückzuzahlen.‹ Dann wird sie kommen.«
Zane folgte dem offenbar sehr aufgeregten Mädchen
nach draußen und über den kleinen Dorfplatz. Diese Seite des Dorfes zog sich von einem kleinen Bach aus einen
Hang hinauf, wo es keine Bauernhöfe mehr gab. Die beiden jungen Leute ließen schnell die wenigen Hütten hinter sich und erreichten einen dichten Wald.
Zane musste sich beeilen, mit Margaret Schritt zu halten, die entschlossen schien, die Sache so schnell wie
möglich hinter sich zu bringen. Nach ein paar Minuten
des Schweigens sagte er: »Ich heiße Zane.«
»Sei still«, erwiderte sie.
Zane spürte, wie seine Wangen glühten, aber er sagte
nichts mehr. Er hatte keine Ahnung, wieso sie so unfreundlich war, aber er kam zu dem Schluss, dass er sich
darum erst kümmern sollte, wenn nicht mehr alles so
verwirrend war.
Sie erreichten einen kleinen Wildpfad und folgten ihm
bis zum Ufer eines Bachs. Eine flache Lichtung schmiegte sich in eine Biegung des Baches. Ihre Oberfläche bestand aus Stein, der mit frisch getrocknetem Schlamm
bedeckt war. Zane fragte sich, wieso die Hütte, die mitten
auf der Lichtung stand, vom Hochwasser nicht weggespült worden war.
Die Hütte bestand aus mit Schlamm bestrichenem
Zweiggeflecht, hatte ein Strohdach und einen groben
Steinkamin. Sie sah aus, als wäre sie kaum groß genug
für eine Person. Ein Ledervorhang diente als Tür, und
eine kleine Öffnung hoch oben links schien das einzige
Fenster zu sein.
Das Mädchen blieb ein paar Schritte vor der Hütte stehen und rief: »Hallo, alte Frau.«
Sofort antwortete eine Stimme: »Was willst du, Mädchen?«
»Ich bin Margaret, aus McGrudders Gasthaus«, antwortete sie.
Zane hörte die verärgerte Antwort: »Ich weiß, wer du
bist, du dumme Gans. Wieso störst du meinen Schlaf?«
»McGrudder sagt, du sollst ins Gasthaus kommen.
Dort braucht ein verletzter Reisender deine Hilfe.«
»Meine Hilfe«, wiederholte die Stimme von drinnen.
»Und wieso sollte ich jemandem helfen, den ich nicht
kenne?«
»McGrudder sagt, es ist Zeit, eine Schuld zurückzuzahlen.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, dann
wurde der Ledervorhang zur Seite geschoben, und die
alte Frau kam heraus. Zane hatte in seinem ganzen Leben
noch keine kleinere Erwachsene gesehen. Sie schien
kaum viereinhalb Fuß groß zu sein. Er war einmal einem
Zwerg begegnet, der auf dem Weg zur Zwergenfestung
bei Dorgin durch
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