Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
hat mich in
den See gezogen und geküsst.«
»Ich kann sie nicht voneinander unterscheiden«, sagte
Tad. »Und sie küssen dich alle, wenn du sie lässt.«
»Aber das war ein echter Kuss! Sie hat mich wirklich
geküsst.«
»Und dann hast du die Augen aufgeschlagen und bemerkt, dass du unter Wasser warst?«
Zane nickte und wiederholte: »Und dann habe ich die
Augen aufgeschlagen und bemerkt, dass ich unter Wasser
war.«
»Und dann hast du angefangen zu ertrinken.«
»Und dann habe ich angefangen zu ertrinken«, stimmte Zane zu.
»Ich werde dir wirklich beibringen müssen, wie man
schwimmt.«
»Bald«, sagte Zane und beobachtete, wie die Mädchen
sich eine Wasserschlacht mit den anderen Jungen lieferten. »Aber nicht jetzt. Ich habe heute genug Seewasser
getrunken; es könnte gut sein, dass ich nie wieder Durst
bekomme.«
»Dann lass uns ins Haus gehen.« Tad blickte zur Villa.
»Kurz bevor wir schwimmen gingen habe ich gesehen,
wie Caleb und Nakor sich unterhielten. Ich frage mich,
ob sie entschieden haben, was aus uns werden soll.«
»Nun«, sagte Zane, »was immer sie sich ausgedacht
haben, ich hoffe, es kann bis morgen warten, denn ich
bin nach dem Abendessen mit Zadrina am Gartenteich
verabredet.«
Tad schlug seinem Pflegebruder auf die Schulter und
sagte: »Hauptsache, du ertrinkst nicht.«
»Ganz bestimmt nicht.« Als sie auf die Villa zugingen,
sagte Zane: »Weißt du, dass sie von einer Welt stammen,
die überwiegend mit Wasser bedeckt ist? Deshalb sind
sie die meiste Zeit im Teich oder im See.«
»Es fällt mir immer noch schwer, mir vorzustellen,
dass es auch eine andere Welt gibt«, gab Tad zu.
»Andere Welten.«, verbesserte Zane. »Mir auch, aber
hier halten es alle für so selbstverständlich, dass ich langsam anfange, mich an den Gedanken zu gewöhnen.« Er
sah sich um. »Als wir noch klein waren, war es leicht,
sich Kesh und das Königreich vorzustellen, weil Leute
aus beiden Ländern immer wieder durchs Dorf kamen,
aber mit anderen Ländern war es nicht so einfach. Das
hier ist ähnlich, denke ich, nur heftiger.« Er warf Tad
einen Blick zu. »Klingt das verständlich?«
Tad nickte.
Sie hatten das Hauptgebäude noch nicht ganz erreicht,
als ein schlanker Mann in Strumpfhosen und einem weiten, wehenden Hemd aus einer Tür trat und sagte: »Ah!
Da seid ihr ja. Ihr seid die beiden aus Stardockstedt?« Er
wartete nicht auf eine Antwort, sondern bedeutete ihnen,
ihm zu folgen. Er bewegte sich mit fließenden Bewegungen, als wäre er ein Tänzer oder ein Akrobat, und an den
Füßen trug er knöchelhohe Stiefel mit Bändern, die oberhalb des Knöchels gekreuzt und gebunden waren. Die
weichen Sohlen dieser Stiefel schienen aus doppelt verstärktem Leder zu bestehen. Das Haar des Mannes war
hellblond und fiel ihm bis auf die Schultern.
Er führte die Jungen auf die andere Seite der Siedlung,
und unterwegs warf er einen Blick über die Schulter, sah
Tad und Zane aus hellblauen Augen an und sagte: »Nicht
trödeln, Jungs.«
Bald schon eilten sie einen steilen Weg hinauf, und als
sie den Hügelkamm erreichten, waren die Jungen außer
Atem. Der Mann, der sie führte, hielt nicht inne, sondern
sagte nur: »Keine Zeit zum Ausruhen.«
Tad und Zane holten tief Luft und folgten ihm weiter,
noch einen steilen Pfad entlang, der diesmal abwärts zum
Strand führte. Links konnten sie ein schwarzes Gebäude
sehen, das sich auf einer Landzunge erhob. »Was ist
das?«, fragte Zane.
»Die Burg des Schwarzen Zauberers«, antwortete der
Mann.
»Wer ist der Schwarze Zauberer?«, fragte Tad.
Der Mann blickte grinsend über die Schulter. Er sah
jung aus, als wäre er kaum ein paar Jahre älter als Tad
und Zane, aber sein blondes Haar war mit Grau durchsetzt. »Wenn Pug hier ist, ist er der Schwarze Zauberer.
Wenn nicht, dann ist es manchmal Nakor, oder Magnus,
oder Miranda oder ein anderer. Wer immer gerade Zeit
hat.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Tad und blieb stehen,
um zu Atem zu kommen. »Könnt Ihr einen Moment warten?«
Der Mann blieb stehen und fragte: »Außer Atem? In
eurem Alter?«
Auch Zane blieb stehen. »Es war ein langer Aufstieg.«
»Das war noch gar nichts«, erwiderte der Mann.
»Wenn ich mit euch fertig bin, werdet ihr diese Pfade
entlangrennen, ohne auch nur darüber nachzudenken.«
»Der Schwarze Zauberer«, sagte Tad zwischen keuchenden Atemzügen und zeigte auf die Burg.
»Nun, ihr Jungen wisst selbstverständlich vom
Schwarzen Zauberer …«
»Nein«, unterbrach
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