Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
Hilfe meiner Künste. Das wenige, was ich auf diese Weise sehen konnte, ist derart böse, dass es jegliches Vorstellungsvermögen übertrifft.«
»Von was für einem ›großen Bösen‹ sprecht Ihr eigentlich?«, wollte Solon wissen.
»Wo soll ich bloß anfangen?«, fragte Hilda, doch die Frage war natürlich nicht ernst gemeint. »Die Seeleute, die vor dieser Küste gestorben sind – und das waren eine ganze Menge –, haben niemals wirklich Ruhe gefunden.
Stattdessen sind ihre Seelen von jenen dunklen Kräften versklavt worden, die den Tempel beherrschen. Ich spüre ihre Präsenz, als wären sie ein großes Auge. Viele Jahre lang war es geschlossen, aber jetzt hat es sich geöffnet und beobachtet dieses Gebiet.«
James dachte an die Schlacht bei Sethanon, wo Murmandamus, der falsche Prophet der Moredhel, die ersterbende Energie seiner Diener aufgefangen hatte. Er hatte gehofft, auf diese Weise mehr Macht zur Verfügung zu haben, als er versuchte, den Stein des Lebens unter Sethanon an sich zu bringen. »Dann können wir also davon ausgehen, dass dieser Plan wie immer er auch aussehen mag«, fügte er schnell hinzu, um Hilda gegenüber nicht unabsichtlich etwas von der Wiederbeschaffung der Träne zu verraten, »schon seit langer, langer Zeit im Gange ist.«
»Ganz gewiss«, sagte Hilda. Sie stand auf und begab sich zu ihrer Kiste, öffnete sie und holte ein Artefakt heraus. »Aber das Auge hat nicht gewusst, dass es seinerseits beobachtet wurde.« Sie hielt ein langes, schlankes Objekt in der Hand, einen Stab oder Stock, der anscheinend aus eisgrauem Kristall hergestellt worden war. »Ich habe es nur ein einziges Mal gewagt, dieses Ding hier zu benutzen; seither habe ich es beiseite gelegt und auf diesen Augenblick gewartet. Doch ich muss Euch warnen: Was Ihr seht, kann sehr verstörend sein.«
Sie wedelte mit dem Objekt herum und intonierte einen Zauberspruch, und plötzlich erschien in der Luft vor ihnen ein Spalt; er war schwarz, aber irgendwie vermittelte er trotzdem den Eindruck, als wäre er im Innern bunt. Dann entstand plötzlich ein Bild, und sie konnten das Innere einer Höhle sehen. An einer steinernen Wand hing ein reich verzierter Spiegel. Sie konnten eine Gestalt erkennen, die sich näherte und sich in der glatten Oberfläche spiegelte, und sowohl Jazhara als auch Solon stießen einen leisen Fluch aus. James hatte die Gestalt bereits zuvor gesehen, oder vielmehr ihresgleichen, einen seit langem toten Priester oder Magier, der von den schwarzen Künsten wieder belebt wurde. Solch einem Wesen war er erst vor einigen Monaten unter der alten, verlassenen keshianischen Festung im Süden des Königreichs begegnet, und er wusste, dass es eine Verbindung zwischen dem, was damals dort entdeckt worden war, und dem, was hier vor sich ging, geben musste.
Die Gestalt wedelte mit der knochigen Hand, und das Bild eines Mannes tauchte in dem Spiegel auf. Der Mann hatte eine Adlernase und Augen, in denen ein schwarzes Feuer zu brennen schien. Sein Schädel war unbedeckt, und das lange graue Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Er trug Kleidung von unbestimmbarer Mode und sah gleichermaßen wie ein Kaufmann oder etwas anderes aus. Und dann hörten sie die Stimme des untoten Magiers.
»Sie kommen«, sagte er.
Der Mann im Spiegel fragte: »Ist der Mann von der Wrackberger-Gilde bei ihnen?«
»Ja, wie geplant. Sie werden im Morgengrauen geopfert werden. Hast du das Amulett?«
»Nein«, antwortete der Mann. »Es ist noch im Besitz meines Dieners.«
»Du hast es gehabt, doch es war die Stimme unseres Gottes, die es mit Macht erfüllt hat«, sagte die untote Kreatur. »Und jetzt hat sie sich einen anderen gesucht, so, wie sie dich mir vorgezogen hat …«
Bei diesem Kommentar zeigte der Mann im Spiegel eine gewisse Verärgerung. »Aber er ist der Macht nicht würdig.«
»Trotzdem können wir ohne das Amulett nicht weitermachen.«
»Ich werde ihn finden. Und wenn ich das geschafft habe …«
Plötzlich veränderte sich das Bild, und dann sah man auf den Felsen der Witwenspitze eine Gruppe von Kreaturen aus der tiefsten Hölle aufgereiht stehen. James konnte dem Drang, etwas zu sagen, kaum widerstehen, denn er erkannte einige dieser Kreaturen, doch es waren noch andere dort, und die waren sogar noch furchterregender und mächtiger. Schließlich flüsterte er: »Wer ist das?«
»Ein Magier mit gewaltigen dunklen Kräften, mein Junge«, sagte Hilda. »Ich weiß nicht, wie er heißt, aber ich kenne seine
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