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Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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schüttelte es kräftig, so daß es fast völlig von Erdklumpen befreit wurde. Wie er angekündigt hatte, sah der zirka dreißig Zentimeter lange Knochen sehr saftig aus, weil ihm noch ganze frische Fleischstücke anhafteten.
    »Vorschlag«, sagte ich. »Du hörst auf, in Rätseln zu reden, dafür kommt über meine Lippen kein Wort mehr über Geister.«
    Hektor ließ den Knochen aus dem Maul fallen.
    »Im Gegenteil, Francis. Du hast mich auf eine Idee gebracht. Ich muß gestehen, daß ich mit dieser Idee schon seit gestern spiele, sie aber immer wieder verdrängt habe, weil ich fürchtete, mich damit vor einem Cheflogiker wie dir lächerlich zu machen. Doch warum nicht eine unkonventionelle Methode ausprobieren, wenn man nicht vorankommt. Erst recht, wenn der Cheflogiker selbst von Geistern anfängt.«
    »Komm auf den Punkt!« befahl ich.
    »Andromeda ist eine greise Pudeldame, eine sehr bedauernswerte. Ihre Herrin, eine exaltierte Astrologin, ist vor langer Zeit verstorben, und kein Mensch war willens und bereit, die alte Andromeda bei sich aufzunehmen, ja man hat nicht einmal dafür gesorgt, daß sie ins Heim kam. So geriet sie auf die Straße, die bald ihr Zuhause wurde. Heute lebt sie in einem Verschlag im verwilderten Garten einer Hausruine und ist auf das angewiesen, was unsere Gemeinschaft für sie an Futter abzwackt. Außerdem ist sie sehr, sehr krank...«
    »Bevor du dich in der Beschreibung weiteren Elends ergehst, darf ich die Sache vielleicht abkürzen und eine Vermutung äußern. Sie hat ihren Namen nicht von ungefähr. Sie lag irgendwie auf derselben Wellenlänge wie die tote Astrologin, stimmt's?«
    »Genau. Selbstverständlich wird es immer ein Geheimnis bleiben, ob die Frau ihr Talent von Anfang an erkannt und sie deshalb zu sich genommen hat, oder ob Andromeda wegen ihres Talents die Nähe zu ihr gesucht hat. Jedenfalls hat sie Visionen mystischer Art und vermag Dinge zu sehen, die Normalsterbliche nicht zu sehen imstande sind.«
    »O Gott, wie tief bin ich gesunken!« schrie ich beinahe. »Jetzt muß ich schon zu einer Hellseherin dackeln, um einen Fall aufzuklären. Was kommt als nächstes? Eine Wallfahrt nach Lourdes?«
    »Du hast den Geist ins Spiel gebracht, nicht ich«, stellte Hektor nüchtern fest, nahm den Knochen wieder zwischen die Zähne und spazierte davon. Ich blickte ihm betroffen hinterher wie ein gestern noch umjubelter Held, der heute aus der Mode gekommen ist. Sollte ich mit meinem Latein tatsächlich am Ende sein, und sollten andere und jüngere das Detektivgeschäft mit frischen Ideen besser hinkriegen als der einst vielbewunderte Klugscheißer?
    »He, Hektor!« rief ich ihm hinterher, während ich mich aufraffte und ihm so schlapp wie ein Verdurstender in der Wüste folgte. »Wenn wir da sind, tu mir einen Gefallen und fordere die Meisterin bitte, bitte nicht auf, mir die Zukunft vorauszusagen. Ich habe jetzt schon so eine dunkle Ahnung!«
    Als wir nach einer Viertelstunde den besagten Garten, der genaugenommen ein wild wuchernder Dschungel war, durch ein eingeschlagenes Loch an der Seitenmauer betraten, flirrte der gesamte Ort in der Glut der Abenddämmerung. Unkraut, Sträucher und zu Krakenarmen mutierte ehemalige Zierpflanzen hatten sich wie ins Gigantische ausgeuferte Metastasen der ursprünglich im barocken Stil angelegten Anlage bemächtigt. Wir wandelten an ergrauten, vom größenwahnsinnigen Grün geknebelten Putten entlang, bedauerten en passant einen zerfallenen und längst versiegten Springbrunnen und retteten uns dank größter Geistesgegenwärtigkeit vor dem Sturz in ein Bassin, auf dessen Wasseroberfläche sich ein beinahe lückenloser Teppich aus herbeigewehten Blättern gebildet hatte. Im Hintergrund ragte die verfallene, purpur schimmernde Rückfassade des palazzoartigen Altbaus in den Himmel.
    Hektor marschierte voraus wie ein Museumsaufseher, der den Besucher durch ein Labyrinth von Gängen zum ersehnten Exponat führt. Ich folgte ihm anhängselgleich und versuchte nebenbei, die Schauerromantik der vom Zerfall gezeichneten Szenerie zu genießen. Was blieb mir auch anderes übrig, nachdem ich die Vorherrschaft im Detektivwesen hier an das okkulte Fach abtreten mußte?
    Plötzlich stoppte Hektor abrupt vor einem Gebüsch, als habe er etwas Verdächtiges vernommen, winkelte verschwörerisch den Kopf um die Ecke und horchte aufmerksam. Schnell trat ich an seine Seite und tat es ihm gleich. In einiger Entfernung war der Verschlag zu erkennen, den er als

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