Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Hintergründe der Geschichte wußte als Hektor, dessen Erinnerungen durch am eigenen Leib erlebtes Leid beschränkt waren; mehr auch als eine visionierende Pudeldame, bei der man kaum beurteilen konnte, ob sie ins Irrenhaus gehörte oder in eine Ruhmeshalle, Seite an Seite mit Gestalten wie Nostradamus.
Aber eigentlich wollte ich aus dem armen Teufel etwas ganz anderes herauskriegen. Nämlich ob er bei seinen Recherchen und Beobachtungen so etwas Ähnliches wie ein Kriegsmonster gesehen hatte, oder ob er an die Existenz eines solchen glaubte. Spätestens nach dieser Anfrage würde er wahrscheinlich den Kontakt zu mir abbrechen, falls er sich überhaupt auf einen Dialog einließ. Doch einen Versuch war es wert, wie der Selbstmörder sagte, bevor er in die Steckdose urinierte.
Ich nahm den Artikel abermals unter die Lupe, konnte jedoch nirgendwo einen Hinweis auf den Verfasser feststellen. Dann schaute ich unter »www.neptun.org« nach. Merkwürdig, ich hatte angenommen, daß die Präsentation eines UNO-Textes direkt über die UNO in New York oder eine ihr nahestehende Institution laufen würden. Aber von einer Einrichtung oder Person namens Neptun hatte ich noch nie etwas gehört. Das war schon ein denkbar schlechter Start. Es erschien ziemlich abwegig, daß ich zum Autor einer Abhandlung ohne jegliche Urhebernennung ausgerechnet über eine anonyme Stelle in Verbindung treten konnte. Dennoch wischte ich alle Zweifel beiseite und rief mit dem Mauspfeil das E-Mail-Programm auf. Ich gab die E-Mail-Anschrift von Neptun in das entsprechende Feld ein, meine eigene, das heißt Archies, war bereits automatisch beigefügt. Aber auch in meiner Botschaft gedachte ich, meine wahre Identität geheimzuhalten. Denn wenn mein Gesprächspartner hörte, daß die Message von einem Tier stammte, würde er entweder in schallendes Gelächter ausbrechen und eine Antwort verweigern oder aber gleich dem Wahnsinn verfallen. Dann trug ich mein Anliegen vor.
Liebe/r/s Neptun,
leider weiß ich nicht, um wen oder was es sich bei Ihnen handelt, so daß ich gezwungen bin, diese recht seltsame Anrede zu verwenden. Ich hoffe, Sie verzeihen mir. Der Grund meines Schreibens ist die Bitte um einen Gedankenaustausch bezüglich Ihres UNO-Artikels über die Cave-canem-Truppe im Balkankrieg. Wenn Sie mir diesen Wunsch erfüllen könnten, wäre mein Dank nicht enden wollend. Nebenbei: Es geht um Leben und Tod! In Erwartung einer raschen Antwort und mit bestem Gruß,
Ihr ergebener
Archibald Philip Purpur
Der Pfeil wanderte zum Menüfeld »Absenden«, ein Klick auf der linken Maustaste, schon war die E-Mail abgeschickt. Nun blieb mir nichts weiter übrig, als Auge in Auge mit dem Mailbox-Display auf eine Antwort zu warten. Was bei rationaler Überlegung eigentlich Nonsens war. Hatte Neptun nichts Besseres zu tun, als wie ein Pawlowscher Hund unverzüglich auf jede an ihn gesandte E-Mail zu reagieren? Unwahrscheinlich, selbst wenn man mal nicht davon ausging, daß er in ganz anderen Zeitzonen weilte und im Bett schon längst seine Träume hütete. Nahm der Kerl mich überhaupt ernst? Und wieso Kerl? Es könnte sich genauso gut um einen x-beliebigen Artikel von irgendeinem namenlosen Schreiber oder irgendeiner namenlosen Schreiberin handeln, dessen/deren Werk von einer namenlosen Infobank verwaltet wurde. Ich konnte also lange auf eine Reaktion warten - vielleicht für den Rest meines kümmerlichen Lebens.
Alles schien so aussichtslos, und nachdem die Arbeit erledigt war, erfaßte mich trotz der milden Temperaturen ein leises Frösteln ob meiner Zukunftsaussichten. Blickte man nämlich aus dem Fenster, so hatte ich gar keine. Ich schaute zu Archie hinüber. Er sah in seiner X-Pose so aus, als hätte er bei einem Fallschirmsprung die Reißleine nicht gefunden und sei geradewegs durch Dach und Decke auf sein Bett gekracht. Und trotz dieses würdelosen Bildes, das er bot, befand er sich in einer weit günstigeren Lage als ich. Ihn verfolgte nicht die halbe Welt.
Ich wandte mich wieder dem Mailbox-Display auf dem Bildschirm zu. Nichts hatte sich getan. Langsam wurde mir die Absurdität meines Tuns in ihrem ganzen Ausmaß bewußt. Vielleicht sollte sich mein Genius mehr mit Auswanderungsplänen beschäftigen als mit Tricks, wie man an einen Anonymus irgendwo in einem anarchistischen Datennetz herankommt.
Apropos Tricks: Gleich neben der Tastatur lag ein aufgeschlagenes Buch, das jede Menge Tips zur Internetanwendung und
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