Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
war, und trotz des Schreckens, der immer noch in meinem Kopf pulsierte, reagierte ich noch immer körperlich auf ihre Nähe – ich atmete immer noch heftig und mühsam und spürte, dass sich in meiner Hose etwas rührte, als ich ihren schwülen Odem inhalierte.
Sie konnte nicht über die Mauer klettern, sie konnte kaum laufen. Aber am Ende des Hofs befand sich ein Tor, und es war nur mit einem Riegel gesichert und nicht abgeschlossen. Ich schob den Riegel zurück und wir humpelten hindurch, beide ramponiert und erschöpft und blutbesudelt wie die letzten noch aktiven Teilnehmer an einem Tanzmarathon in der Hölle.
Ich musste das Tempo drosseln, sobald wir auf die Straße gelangten. Es war dunkel, daher würde niemand die zahlreichen Wunden und Verunstaltungen sehen, wenn wir uns von den Straßenlaternen fernhielten, aber die Art und Weise, wie wir vorwärtsschwankten und -stolperten, würde überall auffallen. Ich zog Juliet dicht an mich und versuchte so zu tun, als seien wir ein betrunkenes Liebespaar und nur mit unseren Hormonen beschäftigt – und ja, ehe jemand fragt, diese Rolle zu spielen fiel mir leicht. Jede Stelle, an der unsere Körper einander berührten, war eine Stelle, die ich qualvoll deutlich spürte.
Die Straße, in der wir uns befanden, führte zu der Straße, wo ich geparkt hatte, und brachte uns wieder in den Rücken der gaffenden Menschenmenge. Dort war jetzt einiges mehr im Gange, und niemand hatte Zeit, auf uns zu achten. Polizisten drängten die Schaulustigen zurück, während andere Beamte mit Schutzschildern und in Schutzkleidung über die Straße zum Vordereingang des Einkaufszentrums stürmten. Sanitäter in weißen Kitteln bildeten die Nachhut. Der Angriff hatte begonnen, und wir waren ihm um Sekunden entkommen.
Ich lehnte Juliet gegen den Wagen und öffnete die Beifahrertür. Sie erwachte langsam aus ihrem Dämmerzustand oder erholte sich zumindest so weit, dass sie wieder halbwegs die Kontrolle über sich zurückgewann, und sie konnte sich aus eigener Kraft und ohne nennenswerte Hilfe von mir auf den Sitz gleiten lassen. Ich schloss die Tür, wobei ich es vermied, sie zuzuschlagen, ging um den Wagen herum zur Fahrerseite, schlängelte mich hinein und startete den Motor.
Da die Straße gesperrt war, musste ich in einem dreiphasigen Manöver wenden. Glücklicherweise war ausreichend Straßentheater im Gange, so dass niemand auf uns achtete. Wir fuhren zurück zum White City Stadion, wo ich anhielt, weil meine Hände so heftig zitterten, dass ich nicht mehr vollkommen fahrtüchtig war.
Juliet atmete ganz flach, aber gleichmäßig, und sie musterte mich wieder mit einem Anflug ihrer üblichen kühlen Arroganz in den Augen.
Dieser Blick ließ eine Menge möglicher Worte in meiner Kehle verstummen. Schließlich sagte ich: »Es tut mir leid, dass ich dich in diese Geschichte hineingezogen habe.«
»Es ist schon in Ordnung«, erwiderte sie, und ihre Stimme war immer noch ein raues Krächzen. »Es war … interessant.«
»Nein, ich meine, es tut mir wirklich leid, dass du dort warst. Du hast einen Mann getötet und wahrscheinlich einen anderen geblendet. Wenn ich gewusst hätte, dass du deinen inneren Dämon herauslässt …«
Sie unterbrach mich reuelos. »Ein Mann war bereits tot. Was meinst du, wie viele außer ihm gestorben wären, wenn ich nicht gehandelt hätte?«
»Das können wir nicht wissen.«
»Nein«, räumte sie ein und klang beinahe verächtlich. »Das können wir nicht.«
»War es das wert?«, fragte ich, immer noch unter Schock stehend. »Hast du irgendeine Ahnung, mit was wir es hier zu tun haben?«
»Oh ja. Du nicht?«
»Nein«, gestand ich. »Obgleich …« Ich verstummte. Es war etwas Vertrautes in der Art und Weise gewesen, wie sich dieses formlose Etwas meinem sechsten Sinn mitgeteilt hatte. Aber es war mit vielem gemischt, das völlig fremd war, und der Gestalt-Effekt war nichts, worauf ich mich allzu lange hatte konzentrieren können – es war wie der Versuch, die Punkte miteinander zu verbinden, wenn sie voneinander getrennt in einem Strudel herumwirbelten. Ich beendete den Satz nicht. Ich wusste nicht, wie ich einigermaßen verständlich hätte erklären können, was ich empfunden hatte. »Lass hören«, sagte ich. »Gib mir einen Hinweis.«
»Bald«, sagte Juliet. »Noch nicht. Und nicht hier.« Sie schwieg lange. Dann sah sie mich an. »Castor …« In ihrer Stimme lag noch immer ein leises Rasseln, das verriet, dass sie den Schaden in ihrer Lunge
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