Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
ein Frühstück aus Rührei und Würstchen verzehrte, war Reggie Tang. Eigentlich verzehrte er es nicht, sondern er spielte eher damit. Er schaute hoch, als ich hereinkam, und nickte mir eisig zu, während er den Teller mit einer endgültigen Geste von sich wegschob. Die Eis-Nummer gelang ihm ganz gut, und er glich in diesem Moment Bruce Lee in
Der Mann mit der Todeskralle
aufs Haar. Da er nur mit einer Weste und Boxershorts bekleidet war, konnte ich erkennen, dass er drahtig und in bester körperlicher Verfassung war.
»Sorry«, sagte er und erhob sich. »Ich kenne das Gesicht, daher nehme ich an, dass wir uns schon mal begegnet sind. Aber Ihr Name will mir nicht einfallen.« Ich hatte seine Stimme völlig vergessen, bis ich sie jetzt wieder hörte. Sie war tief und kräftig mit einem beinahe musikalischen Tonfall.
»Es gibt keinen Grund, weshalb er Ihnen einfallen sollte«, sagte ich. »Wir hatten nur ein einziges Mal das Vergnügen. Ich bin Felix Castor. Tut mir leid, wenn ich in Ihr Frühstück hineingeplatzt bin.«
Reggie zuckte die Achseln. »Der Laden ist für unsereins rund um die Uhr geöffnet. Das gehört zum Service. Castor, ja, jetzt kommt es langsam wieder. Sie stammen aus Liverpool, nicht wahr? Und gehören offenbar zur Nord-Süd-Abwanderungswelle. Schön, Sie mal wiederzusehen.«
Er ergriff meine Hand, die ich ihm entgegenstreckte, und schüttelte sie mit kräftigem Druck. Es gab nichts wahrzunehmen, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Er sah aus wie jemand, der seine Emotionen konsequent für sich behielt. Er deutete mit einem Kopfnicken auf eine Couch, die mit alten Zeitungen, Illustrierten und ungeöffneter Post belegt war. »Nehmen Sie Platz. Wollen Sie hier einziehen?«
Ich schob ein paar alte Briefe zur Seite und setzte mich. Hinter mir ging Lockyear zur Küche. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er eine brennende Zigarette aus einem Aschenbecher nahm, sie halb zu den Lippen führte, es sich dann offenbar anders überlegte und sie ausdrückte, ohne einmal daran zu ziehen. »Nicht in diesem Moment«, antwortete ich. »Eigentlich hatte ich gehofft, mir hier einen kostenlosen Rat zu holen.«
»Einen Rat?«
»Ja. Sie wissen schon, von Kollege zu Kollege.«
Reggie quittierte meine vertrauliche Formulierung mit einem Lächeln. »Dann schießen Sie mal los. Wir freuen uns immer, wenn wir helfen können, ist es nicht so, Greg?«
»Klar. Wir freuen uns immer«, wiederholte Lockyear. Er setzte sich ein gutes Stück von Reggies unbeendeter Mahlzeit entfernt an die Frühstücksbar.
»Danke. Tatsache ist, dass ich jemanden suche.«
»Jemanden, den ich kenne?«
Ich nickte. »Könnte sein, ja. Es ist jemand, der mal hier gewohnt hat, aber wahrscheinlich nicht während Ihrer Zeit. Ein Knabe namens Dennis Peace.«
Reggie runzelte nachdenklich die Stirn, als ließe er den Namen durch seine Datenbänke laufen. »Peace. Nein, da klingelt nichts bei mir. Kennst du einen Dennis Peace, Greg?«
Lockyear drehte sich beim Klang seines Namens um und guckte genauso überrascht wie kurz vorher draußen an der Tür. Er erinnerte mich an Stan Laurel, aber das lag wahrscheinlich nur an den Haaren. Er drückte geistesabwesend abermals die Zigarette aus, obgleich sie längst kalt war. »Ja«, sagte er. »Ich kenne Peace. Nun ja, ich kannte ihn, um genau zu sein. Er wohnte im vergangenen Jahr etwa sechs Monate hier. Der Bastard hat nicht ein einziges Mal gekocht. Warum? Was hat er getan?«
Diese Frage war an Reggie gerichtet, doch Reggie schaute mich auffordernd an, weil offensichtlich ich derjenige war, der sie beantworten musste, wenn überhaupt jemand.
Ich beschloss, die Wahrheit zu sagen, zumindest soweit ich es konnte. Es ist nicht so, dass Exorzismus als Gewerbe so etwas wie ein Gefühl der Kollegialität erzeugt, aber ich wollte diesen Typen keine Informationen aus der Nase ziehen, indem ich ihnen irgendeine halbgare Story von wegen Peace schulde mir noch Geld oder was auch immer auftischte. Solche Geschichten fliegen früher oder später unweigerlich auf und beißen einem in den eigenen Hintern. »Jemand hat mich engagiert, ihn zu suchen«, sagte ich. »Er soll ein Kind bei sich haben. Ein kleines Mädchen, das, nun ja, das nicht zu ihm gehört. Die Kleine wurde aus dem Haus ihrer Eltern entführt. Als es geschah, war Peace dort, jedenfalls hat man mir das versichert. Daher nehmen die Eltern an, dass er das Kind möglicherweise mitgenommen hat. Ich will mich vergewissern, ob es tatsächlich so
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