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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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werden, aber in diesem Moment kam ich mir vor wie einer dieser armen Teufel in Platons Höhle und versuchte, in den Dingen, die ich nicht direkt sehen konnte, einen Sinn zu erkennen, indem ich die Schatten betrachtete, die das Feuer an die Höhlenwand warf. Und um das Ganze noch zu erschweren, stand ich in dem gottverdammten Feuer.
    Ich dachte an Reggie Tangs Abschiedsworte und die Schlussfolgerungen, die sich aus ihnen ergaben. Peace war ein schlimmer Finger, hatte Bourbon Bryant gesagt – ziemlich wild und unberechenbar –, gleichwohl schien er in der Londoner Geisterjäger-Szene mehr Freunde zu haben als ich zurzeit. Mit Sicherheit genug, so dass viele Kanäle, die ich normalerweise hätte benutzen können, in diesem Moment lieber gemieden werden sollten. Nicky hatte mir noch nicht mehr liefern können als einige aufregende Geschichten aus der kriminellen Vergangenheit des Knaben, und Rosie wäre erst gegen Mitternacht ansprechbar. Ich war natürlich mit Juliet zum Abendessen verabredet, aber bis dahin dauerte es noch länger als acht Stunden, daher erwartete mich ein vergeudeter Tag, es sei denn, es gab etwas, dem ich ganz allein in der Zwischenzeit nachgehen konnte.
    Und es gab etwas. Es mochte vielleicht für den Torrington-Fall nicht von Bedeutung sein, aber es war für mich verdammt wichtig, also konnte ich es genauso gut jetzt gleich in Angriff nehmen.
    Ich fuhr mit der U-Bahn nach Kensington und machte mich auf die Suche nach jemandem, der sich mit Messern auskannte.

    »Es ist nicht so alt, wie es aussieht«, sagte Caldessa mit zittriger Stimme, in der ein Unterton von gehärtetem Stahl mitschwang. Insgesamt klang diese banale Feststellung aus ihrem Mund ziemlich vernichtend. Aber in ihrem Gewerbe war alt gleichbedeutend mit gut, und neue Dinge, die aussehen wollten, als seien sie alt, waren es nicht wert, dass man sich mit ihnen ernsthaft befasste. Jung auf alt getrimmt war total out. Als ich die Hand ausstreckte, um das Messer wieder an mich zu nehmen, gab sie es mir jedoch nicht. Sie drehte es abermals hin und her und blickte auf eine Weise an der Klinge entlang, die für so eine ehrbare ältere Mitbürgerin in gediegenem Tweed ausgesprochen verwirrend erschien.
    Mein Messer-Experte war, wie sich herausgestellt hatte, eine Frau. Das war für mich okay. Als ich in der Kensington Church Street aufkreuzte, hatte ich nur eine vage Vorstellung, was ich suchte – aber ich war ziemlich sicher, dass dies der beste Ort war, um es zu finden. Man ging die Knightsbridge hinunter, vorbei an Kensington Gardens, und wendete sich nach rechts, und schon befand man sich – durchaus vorhersehbar angesichts der Preise und der Erscheinung der Immobilien ringsum – inmitten der dichtesten Ansammlung von Antiquitätenläden, die man in der zivilisierten Welt antreffen konnte. Okay, einige dieser Geschäftsbetriebe waren darauf spezialisiert, den Touristen auf schmerzlose Art und Weise das Geld aus der Tasche zu ziehen, was bedeutete, dass sie viktorianische Butterfässer für eintausend Pfund pro Stück verhökerten. Doch unter den Lieferanten überteuerten, eleganten Plunders gab es einige wenige Leute, die kennenzulernen sich durchaus lohnte. Es waren Fanatiker, die sich auf exotische Objekte wie belgische Teewärmer aus der Merowingerzeit oder obskure Feldaltäre aus dem Spanischen Bürgerkrieg spezialisiert hatten.
    Einer der größten Läden war Antik Ost, der von einem entfernten Verwandten Pens betrieben wurde, dessen Namen ich jedes Mal nachschlagen und auswendig lernen musste, weil er so verdammt lang war: Haviland Burgerman. Er war meine erste Anlaufstelle, und er machte das launige Geständnis, dass er über Messer nicht mehr wusste, als mit welchem Ende man damit Zigarren abschnitt. Er schickte mich über die Straße zu Evelyn Caldessa’s, und Caldessa hatte, was ich suchte.
    Sie war selbst so etwas wie eine Antiquität. Ihre Haut hatte jenen von hohem Alter kündenden matten, perlweißen Schimmer, ihre Gesichtszüge wirkten wie kunstvoll ziseliert, und ihre Statur war von zerbrechlicher Feinheit. Wenn man sie betrachtete, war man auf Anhieb überzeugt, dass sie klingen würde wie Knochenporzellan, wenn man sie mit dem Daumen anschnippte. Der Schal, den sie nach bäuerlicher Art über ihr graues Haar drapiert hatte, verlieh ihr ein osteuropäisches Aussehen, doch ihr Akzent war unverkennbar der einer Roedean-Absolventin.
    Ich gab ihr zu verstehen, dass ich etwas zu verkaufen hatte, das in ihr Fachgebiet

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