Fenster zum Zoo
Praktikum zu machen.«
»Wozu denn?«, fragte Muschalik.
»Er hatte etwas vor.«
»Dann müssen wir wohl dringend nach Duisburg fahren, oder?«
»Duisburg?« Mattis stutzte.
»Was hat dir Jartmann von Duisburg erzählt?«
»Ich hoffe, dass es nicht stimmt.« Mattis trat aus Versehen in einen Wassertrog und sah zu, wie das Wasser über seine Gummistiefel lief.
»Was?«
»Ich werde mich nicht an der Verbreitung von Gerüchten beteiligen. Da kannst du lange fragen«, Mattis winkte ab und rückte den Wassertrog wieder zurecht.
»Wo warst du denn gestern Nacht?«
»Zwischen elf und eins? Im Bett. Wieder im Bett. Und wieder ohne Zeugen. Ich wünschte, ich könnte dir den Namen eines Mädchens oder eines Jungen nennen.«
»Eines Jungen?«, fragte Kraft verdutzt.
»Ja«, sagte Mattis, »soll’s doch geben, oder?«
Kraft brummte etwas Unverständliches.
»Aber da ist noch etwas anderes. Mit dem Grizzly stimmt was nicht. Ich war zum ersten Mal in seiner Nähe seit Nelly in Köln ist. Sie hat mich die ganze Zeit nicht an ihn herangelassen. Keinen von uns, nicht einmal die Ablösung durfte in seine Höhle, etwas stimmt nicht mit ihm. Er ist anders, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Er ist nicht wie früher.«
Krafts Handy klingelte in seiner Hosentasche. Er holte es umständlich hervor und stellte die Verbindung her. Er nickte ein paar Mal, schaltete es wieder aus und erklärte dann: »Das war Johann, den ich in die Barbarastraße geschickt habe. Nelly war nicht dort. Die Nachbarn sagen, dass noch zwei andere Frauen in der Wohnung wohnen. Sie sind Verkäuferinnen und arbeiten im Kaufhof auf der Hohe Straße. Dort ist Johann auch gewesen. Sie sagen, sie hätten Nelly seit gestern morgen nicht mehr gesehen. Aber sie wäre wohl letzte Nacht in der Wohnung gewesen und hätte ihre Zahnbürste geholt. Wir können sie morgen früh treffen. Um neun Uhr wäre ihnen recht. Sie sagen Bescheid, wenn Nelly vorher auftaucht.«
* * *
Der Zoodirektor erwartete Muschalik und Kraft in seinem Büro. Er hatte mehrmals versucht, Nelly telefonisch in ihrer Wohnung zu erreichen. Aber es hatte niemand abgehoben.
»Sie wohnt zusammen mit Sabine Vordermeier und noch einer Frau, deren Namen ich wieder vergessen habe«, erklärte er, während er noch einmal vergeblich die Nummer wählte.
»Geben Sie uns bitte auch die Anschrift von Jartmanns Eltern, wir müssen sie natürlich persönlich informieren«, sagte Muschalik.
»Jartmanns wohnen in Hürth.« Professor Nogge legte den Hörer wieder auf, schrieb Straße und Hausnummer auf einen Zettel und seufzte. »Ich fühle mich mitschuldig.«
»Das verstehe ich, aber das sind Sie nicht«, sagte Kraft, »lassen Sie uns lieber über Fakten reden.«
»Vielleicht haben Sie Recht, Herr Kraft. Ich sollte Sie im Zusammenhang mit Nelly über einige Details informieren. Möglicherweise haben sie irgendetwas mit dem Geschehenen zu tun.«
Muschalik und Kraft setzten sich auf die beiden Besucherstühle ihm gegenüber.
»Als unser Grizzly Jonny erkrankte, haben wir uns Nelly vom Duisburger Zoo ausgeliehen. Nachdem sie ihn gesund gepflegt hatte, versuchten wir einen Weg zu finden, sie hier in Köln zu behalten. Sie war eine Kapazität«, er verbesserte sich, »sie ist es noch. Zufällig zeigten die Duisburger etwa zur gleichen Zeit großes Interesse an unserer jungen Elefantenkuh Jolanda. Und von Nelly hatten wir den Eindruck, dass sie ebenfalls nicht abgeneigt wäre, in Köln zu bleiben, solange sie weiterhin mit Bären arbeiten konnte. Das traf sich gut.«
»Hat sie das gesagt?«, wollte Muschalik wissen.
»Sie war einverstanden. Für sie sprang obendrein noch eine kleine Gehaltserhöhung dabei heraus.«
»Darf ich fragen, wie hoch sie war?
»Eine Gehaltsstufe«, überlegte Professor Nogge, »das sind circa hundert Euro, schätze ich.«
»Das sind netto ja höchstens sechzig Euro«, rechnete Kraft aus und rutschte auf die Stuhlkante, »für sechzig Euro soll sie Duisburg verlassen haben? Vielleicht blieb sie wegen der Anerkennung.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Muschalik und dachte, jeder andere würde das tun, aber nicht Nelly, an Anerkennung lag ihr sicher nichts.
»Jedenfalls blieb sie«, fuhr Professor Nogge fort, »und die Elefantenkuh Jolanda wechselte mit großem Aufwand von unserem Zoo nach Duisburg. Ein Kranwagen, ein Schwertransporter, eine Polizei-Eskorte. Und die unvermeidliche Presse gestaltete den nächtlichen Transfer zu einem Medienereignis
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