Fenster zum Zoo
nur seine Mutter angetroffen. Sie war natürlich verzweifelt. Sie hat noch zwei Töchter, aber Thomas war das jüngste Kind und ihr offensichtlich das liebste. Er war wohl der Einzige, der in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte und es auch gekonnt hätte. Jartmanns haben einen kleinen Privatzoo zu Hause. Hunde und Katzen, ein paar Papageien, einen Chinchilla, einen Hasen und ein Meerschweinchen.«
»Hast du sie gefragt, ob ihr Sohn Ben Krämer gekannt hat?«
»Ja, natürlich. Sie hatte den Namen aber noch nie gehört«, sagte Kraft und blätterte in der Eiskarte.
»Und sein Vater auch nicht?«, fragte Muschalik.
»Nein. Sie hat ihren Mann natürlich sofort in der Universität angerufen und später auch danach gefragt.«
»Schade.«
»Aber stell dir vor, in seinem Zimmer habe ich den Zeitungsausschnitt vom 20. Juni gefunden«, sagte Kraft beiläufig und winkte der Kellnerin.
»Mit dem Artikel vom Unfall?« Muschalik horchte auf.
»Ja. Sie hat erzählt, dass ihr Sohn einen Tag, nachdem der Unfall in der Zeitung gestanden hat, nach Duisburg gefahren sei. Angeblich, weil er einen Praktikumplatz suche. Aber es habe nicht geklappt. Als er zurückkam, hätte er seinen Vater bekniet, ihm einen Platz im Kölner Zoo zu beschaffen.« In fließendem Italienisch bestellte Kraft noch zwei Cappuccino und drückte der Kellnerin die beiden leeren Tassen in die Hand. Sie trug ein kurzen schwarzen Rock und lange schwarze Haare, und Kraft sah ihr lange nach.
»Wir müssen uns entscheiden, wohin wir zuerst fahren«, sagte Muschalik, »nach Wiesbaden oder nach Duisburg.«
»Wiesbaden«, sagte Kraft, »wir wissen fast nichts von Ben Krämer.«
»Weil du nicht ermittelt hast.«
»Ja, ja, ich weiß. Das war ein Fehler. Aber das konnte ich damals nicht wissen.«
»Ich bin für Duisburg.«
»Das hat doch Zeit«, sagte Kraft und winkte ab.
»Nein.«
»Kannst du nicht allein fahren? Rosa will mir morgen früh für das Wochenende die Kinder bringen. Ich möchte nicht absagen.«
»Nein.«
Kraft plante: »Nun ja, morgen ist Freitag. Wenn wir morgen doch zuerst nach Duisburg fahren, da könnte ich die Zwillinge Lise Becker ins Büro bringen. Ich möchte sie nicht am Wochenende stören. Und am Samstag könnte vielleicht deine Nachbarin Frau Kruse auf sie aufpassen, während wir in Wiesbaden sind, sie hat doch sonst nichts zu tun.«
»Heute Lise Becker, morgen Frau Kruse, übermorgen Muschalik, findest du das normal?«
»Nein. Also?«
Muschalik seufzte und sagte: »Okay«
Kraft ging es sofort besser, und als die Kellnerin mit dem Cappuccino kam, bestellte er einen Erdbeerbecher.
13. Kapitel
Die Sekretärin in der Duisburger Zooverwaltung wollte Muschalik und Kraft am Freitagmorgen nach einem Blick auf deren Ausweise bei ihrem Chef anmelden. Muschalik winkte ab und öffnete die dick gepolsterte Tür, auf der in goldenen Buchstaben Direktor stand.
Meier saß in einem feudalen Büro und las die Zeitung. An den Wänden hingen Urkunden in goldenen Rahmen.
»Sind Sie angemeldet?«, fragte er ohne hochzusehen.
»Allerdings.«
»Das wäre mir neu.«
»Mordkommission Köln«, sagte Kraft.
»Ach so, warum sagen Sie das nicht gleich. Nehmen Sie doch Platz.«
Meier faltete seine Zeitung zusammen und legte sie neben sich. Selbstgefällig rückte er seine perfekt sitzende Krawatte zurecht, setzte sich gerade hin und begann ohne Einleitung bei der Gemütsverfassung des Grizzly.
»Unser Grizzly Kaspar trauerte Nelly Luxem wirklich nach.«
»Sonst niemand?«, fragte Muschalik.
»Doch, wir alle natürlich«, verbesserte Meier sich rasch, »wir haben sie nicht gerne ziehen lassen. Es war ihre ganz persönliche Entscheidung.«
»Warum ist sie denn gegangen?«
»Keine Ahnung. Das Privatleben meiner Mitarbeiter ist für mich tabu.« Ein herablassendes Lächeln begleitete seine Sätze.
»Und von einer Gehaltserhöhung wissen Sie wahrscheinlich auch nichts?«, fragte Muschalik weiter.
Meier wunderte sich kurz: »Was für eine Gehaltserhöhung? Wollen Sie damit sagen, dass die Kölner sie mit einer Gehaltserhöhung gelockt haben? Ich wusste bis jetzt nicht, was sie ihr versprochen haben, aber ich habe mir schon so etwas Ähnliches gedacht. Typisch kölsch.«
»Haben Sie nicht versucht, Nelly hier zu behalten?«
»Nein. Reisende soll man nicht aufhalten, einer meiner Grundsätze«, verkündete Meier und faltete die Hände über dem Bauch.
»So genannte Spitzenkräfte lösen unter Kollegen oft Neid aus, nicht wahr?«, mischte
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