Fenster zum Zoo
anders.
Er wollte das Kochen eher systematisch als kreativ angehen, wie es seine Art auch in anderen Dingen war. Im Beruf hatte es sich bewährt, warum sollte es beim Kochen anders sein.
Muschalik tauschte bei diesen Überlegungen seinen guten karierten Anzug gegen die olivgrünen Cordhosen und das karierte Flanellhemd. Er suchte seine Wanderschuhe hervor, setzte seine karierte Schirmmütze auf und zog noch den karierten Blouson über. Seine Liebe zu Karos hatte Betty nicht geteilt, sie war ihr vielmehr ein Dorn im Auge gewesen. Es waren diese Kleinigkeiten, die ihn an sie erinnerten.
Er steckte sein Portemonnaie in die Gesäßtasche. Heute wollte er eine neue Jahreskarte für den Zoo kaufen, nach einem Kochbuch für Anfänger Ausschau halten und Betty von der misslungenen Abschiedsfeier erzählen.
Es war Juli und Sommer in Köln, seine Stimmung wurde besser mit jeder Minute, in der er sich über seinen neuen Lebensabschnitt klar wurde. Er war frei, und alle Tiere im Zoo erwarteten ihn. Voller Vorfreude dachte er an das Glücksgefühl, das ihn befiel, sobald er der Stadt mit ihrem Lärm und Gestank den Rücken kehren und eintreten konnte in diese andere, fremde Welt. Obwohl der Verkehr noch deutlich zu hören war, stellten sich seine Ohren sofort auf den Ruf der Wildnis ein, ein schrilles Pfeifen, ein dumpfer Schrei, ein forderndes Grunzen von irgendwoher. Und dazu der bittere, strenge Geruch nach einem Leben, in dem Fressen und Gefressenwerden ganz nah beieinander liegen. Trotz Wassergräben, Panzerglas und Fanggittern spürte er eine vage Gefahr. Er hatte keine besondere Vorliebe für bestimmte Tiere, abgesehen von seinem Patenkind, dem Marabu. An manchen Tagen zog es Muschalik zu den Raubtieren, an anderen zu den Affen, es war eine Frage seiner Tagesform.
Aber er unterwarf sich stets einem Thema, einem Lebensraum oder einer Gattung. Er wollte nicht gedankenlos im Zoo hin und her laufen, ohne Sinn und Ziel.
Heute war ihm nach Wasser. Nach Seelöwen oder Flusspferden. Die Sonne stand am Himmel, ein heißer Tag stand bevor.
Und es war erst elf Uhr, die ideale Zeit für einen Zoobesuch.
* * *
Als er die Stammheimer Straße überquerte, sah er zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei vor dem Haupteingang stehen, den Wagen des Notarztes und einen Leichenwagen. Er reihte sich in die Gruppe der Schaulustigen ein, die sich auf dem Vorplatz versammelt hatte und durcheinander sprach, rätselte und nach Aufklärung suchte, und er versuchte zu verstehen, was geschehen war:
Ein Toter im Zoo.
Ein Kind? Ein Mann!
Die Löwen? Nein, die Bären. Der Grizzly.
Zerrissen, zerfetzt?
Über das Gitter geklettert, gefallen, gestürzt?
Der Bär krank, vielleicht voller Schmerzen durchgedreht?
Welch ein Wahnsinniger!
Nachts im Zoo!
Was hatte er dort verloren?
Kein Wunder!
Niemand darf den Zoo betreten!
Die Einsatzfahrzeuge waren leer, und Muschalik drängte sich bis zum Eingang vor, der von einem Polizisten bewacht wurde.
»Ich bin von der Mordkommission Köln«, stellte er sich vor und vergaß, dass er es seit ein paar Stunden nicht mehr war.
»Einen Kommissar haben wir schon«, wies der Polizist ihn zurück.
»Aber es stimmt«, bestätigte die Kassiererin, »er ist Kommissar.«
Der unbekannte Kollege ließ ihn widerwillig durch. Im Laufschritt passierte Muschalik die Anlagen der Fischotter, Präriehunde und Erdmännchen und die ersten beiden Bärenanlagen, in denen die kleineren Brillen- und Malaienbären leben.
Um das Revier des Grizzly war schon das gelbe Absperrband gezogen. Unten standen Olaf Kraft und Staatsanwalt Henrik van Dörben, der es sich grundsätzlich nicht nehmen ließ, einen Tatort höchstpersönlich zu inspizieren. Drei Männer von der Spurensicherung krochen in weißen Papieranzügen auf allen vieren und sahen wie junge Eisbären aus. Der Tierpfleger Mattis Oldenburg, der sommers wie winters eine blaue Pudelmütze trug, und der Zoodirektor Professor Dr. Nogge waren ebenfalls da. Eine Kamera surrte. Im Wassergraben schwamm ein Schuh. Der Grizzly war in seiner Höhle eingesperrt, und er grollte vor Zorn darüber.
»Lorenz!« Kraft brachte ein Lächeln zustande, als er ihn sah. »Treffen wir uns also auf diese Weise im Zoo.«
»Ja. Leider. Aber was machst du eigentlich hier? War es etwa kein Unfall?«
»Keine Ahnung. Während wir fröhlich deinen Abschied im PP gefeiert haben, waren unsere uniformierten Kollegen längst hier. Aber ihnen war die Sache viel zu heiß. Ist ja auch ein starkes Stück. Hat
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