Fesseln des Herzens
Gegner, mit dem er schon einige Male das Schwert gekreuzt hatte, meuchlings beiseiteschaffen ließ.
»Ihr drei schließt euch uns an, die anderen flankieren uns. Fellows, übergib mir dein Schwert.«
Henry fügte sich. Eigentlich trennte er sich von seiner Waffe nur dann, wenn er sich ins Bett legte oder wie vor einigen Tagen die Baronin liebte. Aber wenn er zu Woodward vorgelassen werden wollte, musste er tun, was der Hauptmann von ihm verlangte.
»Keine Sorge, das gute Stück ist bei mir in den besten Händen«, erwiderte Abernathy grinsend. »Wer weiß, vielleicht darf ich es ja behalten, wenn der Baron befindet, dass du seines Vertrauens nicht würdig bist.«
»Freu dich nicht zu früh, Abernathy, noch stehen wir deinem Herrn nicht gegenüber.«
Der Hauptmann machte sich nichts aus solchen Worten. Er klemmte sich das Schwert unter den Arm und befahl dann Fellows und seinen Leuten, sich in Bewegung zu setzen.
Nachdem sie einigen verschlungenen Wegen gefolgt waren und einige Treppen erklommen hatten, näherten sie sich schließlich dem hohen Säulensaal, der mit prachtvollen Wandteppichen geschmückt war. Auf hohen Leuchtern flackerten die Kerzen, und ein kunstvoll gewirkter Teppich wies den Weg zu dem Thronsessel, auf dem der Baron of Woodward für gewöhnlich Hof hielt.
Momentan war der Platz verwaist, doch bevor Abernathy einen seiner Soldaten losschicken musste, erschien der Baron. Selbstverständlich hatte er den Tumult im Burghof mitbekommen.
Trotz seiner beachtlichen Leibesfülle bewegte er sich schnell und ohne ein Schnaufen von sich zu geben. »Was bringst du mir da, Abernathy?«, fragte er, während er sich auf seinem Platz niederließ. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er Henry, und bevor sein Hauptmann Bericht erstatten konnte, rief er aus: »Was sucht der erste Mann meines Feindes hier?«
»Ich muss mit Euch reden, Mylord. Ich habe eine Botschaft für Euch von der Baronin of Ravencroft.«
Woodward zog staunend die Augenbrauen hoch, so dass seine Stirn wie eine der zerfahrenen Straßen seiner Baronie wirkte.
»Ihr habt eine Botschaft von der Baronin?«, fragte er nach, als hätte er nicht richtig verstanden. »Will sie sich etwa für die Beleidigung durch dieses Bauernmädchen entschuldigen?«
Henry war erstaunt, dass der Baron sich noch an Aimee erinnern konnte. Doch bevor Woodward ungeduldig werden konnte, zog er unter seinem Wams das Schreiben hervor.
»Ich kenne die Worte nicht, die meine Herrin an Euch richtet, Mylord. Ich bin nur ein bescheidener Bote, der Euch, sofern Euch die Botschaft der Baronin zusagt, seine bescheidenen Dienste anbieten will.«
Daraufhin ging ein Raunen durch die Reihen der Soldaten. Abernathy grinste verschmitzt.
»Oho, Ihr wollt also Verrat begehen! Was würde Euer Herr dazu sagen, wenn er das erführe?«
»Er würde mir wahrscheinlich den Kopf abschlagen lassen. Aber nach einer Reihe von Ereignissen habe ich beschlossen, nur noch der Baronin treu zu dienen.«
Woodward musterte erst Fellows und dann die Schriftrolle in seiner Hand, danach bedeutete er Abernathy, dass er ihm das Papier bringen solle.
Nachdem der Hauptmann das Schreiben ausgehändigt und Woodward es entrollt hatte, lehnte er sich zurück und las. Sein Vater hatte bei seiner Erziehung darauf geachtet, dass ihm Mönche neben dem Kriegshandwerk auch das Lesen beibrachten. Als er noch jung war, hatte er dieses Wissen für unnütz gehalten, doch in diesem Augenblick war er froh darüber, das Schreiben allein entziffern zu können.
Was die Baronin von Ravencroft ihm da anbot, war beinahe zu schön, um wahr zu sein. Woodward las ihre Worte zweimal, rollte das Pergament zusammen und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Eine Finte ist das, nicht wahr?«, schmetterte er Henry entgegen. »Euer Herr will mich wieder aus dem Bau locken wie damals. Aber diesmal hat er sich geschnitten. Ergreift ihn!«
Augenblicklich schlossen sich mehrere Hände um Henrys Arme, und Schwertspitzen bohrten sich in seine Seiten.
»Mylord, der Baron hat mit diesem Schreiben nichts zu tun. Was auch immer dort steht, es ist die Wahrheit!«
»Ihr wisst es also wirklich nicht?« Woodward erhob sich von seinem Stuhl und kam langsam auf ihn zu. »Ihr sagt, Ihr dient Eurer Herrin, und wisst nicht, was hier drin geschrieben steht.«
»Sie hat es mir nicht offenbart!«, entgegnete Henry, der zusehends mehr ins Schwitzen geriet. Wenn dieser Mann ihn tötete, würde nicht nur Nicoles Plan hinfällig sein. Es könnte auch eine
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