Fesseln des Herzens
früh, dass du zu mir kommst?«
»Ich konnte wegen des Hundegebells nicht mehr schlafen«, entgegnete die Schäferin und senkte den Blick.
Die Baronin sollte eigentlich wissen, dass sie Ravencroft begleiten würde und nur deshalb so früh auf den Beinen war.
Nicole sah Aimee noch einen Moment erstaunt an, dann schien ihr ein Licht aufzugehen: »Ach ja, du begleitest den Baron zur Jagd. Das hätte ich beinahe vergessen.«
Noch einmal warf sie einen Blick in den Hof, von dem mittlerweile die Stimmen der Soldaten hinaufdrangen. Dann wandte sie sich um. Der Blick, mit dem sie Aimee bedachte, war irgendwie seltsam.
»Ich nehme an, du hast noch nicht mit ihm das Lager geteilt.«
Aimees Wangen begannen zu glühen, doch sie wich den Augen ihrer Herrin nicht aus. »Nein, Mylady, das habe ich nicht.«
»Ich weiß nicht, ob das klug war. Vielleicht hätte er dich dafür reich belohnt.«
Der Ton, den Nicole anschlug, gefiel Aimee überhaupt nicht, denn es sprach keine Eifersucht aus ihren Worten. Vielmehr schien es ihrer Herrin ganz und gar nicht zu passen, dass sie sich noch immer zierte.
»Mylady, wenn Euer Gemahl gewollt hätte, dass ich ihm zu Willen bin, hätte er mich einfach genommen. Aber er tat es nicht. Offenbar liegt ihm noch einiges an der Ehe mit Euch!«
Nicole stieß einen Spottlaut aus. »Meinem Gemahl soll etwas an mir liegen? Dass ich nicht lache. Du warst schon oftmals dabei, wenn wir uns begegnet sind. Meinst du, seine Kälte wird weniger, wenn wir allein sind? Davon abgesehen bleibt er nicht mehr bei mir. Und bevor du mir jetzt vorwerfen kannst, dass ich mir genau das gewünscht habe, gebe ich gleich zu, dass dem so ist. Ich wünsche mir sogar, ihn nie wieder sehen zu müssen!«
Aimee schwieg dazu. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass Nicole ihren Gatten mehr und mehr verabscheute.
Mitleid überkam die junge Schäferin plötzlich. Was nützten einer Frau ein Adelstitel und Reichtum, wenn sie einen Mann heiraten musste, den sie nicht liebte?
Sie selbst konnte an George of Ravencroft nichts finden, das ihn zu einem schlechten Mann gemacht hätte. Der Gerichtstag hatte ihr vielmehr bewiesen, dass ihm an Gerechtigkeit gelegen war und er auch bei rationalen Entscheidungen sein Herz nicht ausklammerte.
»Was starrst du mich so an?«, fuhr Nicole die Schäferin an. »Überrascht es dich, dass ich so denke?«
Du dienst mir doch schon eine Weile. Du hast mich entbunden! Ist es nach dieser Geburt ein Wunder, dass ich so denke?, fügte sie in Gedanken hinzu.
Auf einmal verloren ihre Züge wieder ein wenig an Härte. Offenbar hatte sie eingesehen, dass nicht Aimee schuld an ihrer Lage war.
»Nun gut, vielleicht sollte ich das alles meinem Vater erzählen. Er hätte sicher kein Verständnis dafür, aber er hat auf der Heirat mit Ravencroft bestanden. Ich will doch nur ein bisschen Glück, Aimee, verstehst du das?«
Die Schäferin nickte. »Ich verstehe es, Mylady. Und es betrübt mich, Euch so unglücklich zu sehen.«
»Falls du fragen willst, was du tun kannst, kann ich dir nur sagen, dass es nichts gibt, was in deiner Macht steht. Ich erwarte von dir nur eines, und zwar dass du mir gehorchst und dich um mein Kind kümmerst.«
Aimee nickte und fragte sich, was diese seltsame Ansprache sollte.
»Du kannst nun gehen, mein Kind. Geh hinaus zu den anderen und vergnüge dich bei der Jagd«, sagte die Baronin schließlich. »Das Leben hat nicht viele schöne Momente zu bieten, du solltest daher alle nutzen, die du geboten bekommst. Man kann nie wissen, wann einem genommen wird, was einen glücklich macht.« Damit wandte sie sich wieder dem Fenster zu.
Aimee betrachtete die Baronin noch einen Moment lang verwundert, dann knickste sie und verließ das Gemach.
Draußen überkam sie eine seltsame Beunruhigung. Es war wie damals, als sie geahnt hatte, dass ihr Vater sterben würde.
Ich sollte den Baron warnen, ging es ihr unvermittelt durch den Sinn. Natürlich habe ich keine Beweise, aber zu wissen, dass etwas im Hintergrund vorgeht, hilft ihm vielleicht, Schlimmeres zu verhindern.
Nachdem sie noch einmal nach der Baroness und der Amme gesehen hatte, strebte sie dem Hof zu.
Dabei traf sie auf Ravencroft und seine Begleiter. Der Baron trug nun ein ledernes Wams, das mit zahlreichen metallenen Nieten verziert war, ähnlich wie die Halsbänder der Hunde. Sein langes schwarzes Haar hatte er im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden.
Als er die Schäferin erblickte, leuchteten seine Augen auf. »Du bist
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