Fesseln des Herzens
nur einem Wolf gefährlich zu werden.«
»Dennoch sind sie hungrig. Der Jagdmeister hat sie schmal gehalten, damit ihr Geruchssinn besser wird.«
»Trotz allem glaube ich nicht, dass sie blutrünstiger sind als meine Hütehunde. Auch sie stellen Wölfen nach, sind zu Menschen allerdings ganz sanft. Nicht einmal John haben sie gebissen!«
Der Baron lachte. »Der wird ihnen auch keinen Grund dazu gegeben haben. Aber ich denke mal, so ergeben, wie dir deine Hunde sind, werden sie einen Menschen, der dir ans Leben will, auf der Stelle zerfleischen.«
»Gebt Ihr jetzt also zu, dass sie gute Wächter sind und ich Euren Dolch eigentlich nicht benötige?«
»Nein, meinen Dolch benötigst du auch weiterhin«, entgegnete er. »Hast du ihn denn dabei? Ich kann keine Waffe an dir sehen.«
Aimee lächelte. »Ich trage ihn ständig bei mir, unter meinen Kleidern.«
»Wäre es vermessen von mir zu fordern, mir das zu beweisen?«
Seine Augen flammten auf, halb begehrlich, halb belustigt, und er wirkte wie ein Mann, der nicht nur darauf aus war, Wölfe zu erlegen.
»Eines Tages werde ich es Euch gewiss beweisen, Mylord«, entgegnete Aimee. »Aber jetzt solltet Ihr Euch auf die Jagd konzentrieren. Ich will nicht, dass Euch etwas geschieht.«
»Was sollte mir schon geschehen?«, fragte er lachend.
»Ich kann es Euch nicht genau sagen, aber es gibt da ein paar Dinge …« Aimee stockte. Sollte sie ihm wirklich all die Merkwürdigkeiten aufzählen?
Als der Baron merkte, dass sie es erst meinte, zog er die Augenbrauen zusammen. »Sprich schon«, forderte er sie auf. »Egal, was es ist, du brauchst keine Scheu vor mir zu haben.«
Die Schäferin zögerte noch einen Moment lang und ließ den Blick über die Jagdgesellschaft schweifen. Henry war nicht in der Nähe, und auch sonst schien ein jeder mit sich selbst beschäftigt zu sein.
»Mich überkam heute ein ungutes Gefühl. Es war beinahe wie damals, als mein Vater starb. Ich fürchte, Ihr seid in Gefahr, Mylord.«
Ravencroft runzelte die Stirn. Er erinnerte sich noch gut an ihre Prophezeiung und zweifelte nicht an ihrem Gefühl.
»Jede Jagd ist ein Risiko, dessen bin ich mir bewusst«, entgegnete er.
»Es ist nicht die Jagd«, platzte es aus Aimee heraus, dann zögerte sie. »Ich glaube …«
Der Baron legte ihr sanft die Hände auf die Schultern.
»Ich glaube, es braut sich irgendeine Gefahr zusammen. Eine Gefahr, die …«
Bevor sie weitersprechen konnte, kam einer der Knappen herbei, um seinem Herrn eine besonders prachtvolle und schwere Armbrust zu bringen.
»Der Bolzen, den ich damit abfeuere, durchschlägt selbst eine Tür von einer Handbreit Dicke«, erklärte er Aimee, während er liebevoll über die Waffe strich. »Mein Vater hat sie einst anfertigen lassen, aber leider kam er nicht mehr dazu, sie zu benutzen. Eine Krankheit fesselte ihn ans Bett, und es war an mir, sie einzuweihen.«
Beinahe glaubte Aimee, so etwas wie Verletzlichkeit in seinen Zügen zu erkennen. Er musste seinen Vater sehr geliebt haben, und wahrscheinlich hatte ihm sein Leiden sehr zugesetzt.
Eine Welle der Zärtlichkeit überkam sie. »Ich bin sicher, dass sie Euch Glück bringen wird.«
Ravencroft lächelte. »Ich denke eher, dass du mir Glück bringen wirst. Und was deine Befürchtungen angeht, so kann ich dir versichern, dass niemand, der noch bei Verstand ist, die Hand gegen mich erheben würde. Der Bolzen meiner Waffe würde ihn schneller treffen, als er sein Schwert ziehen kann.« Damit strich er ihr zärtlich über die Wange. »Und jetzt auf dein Pferd, Aimee, wir brechen auf.«
Auf den Befehl des Barons hin wurden die Hörner geblasen, und die Männer begaben sich zu ihren Pferden. Jemand ließ die Hunde von der Kette, und sie liefen, ohne sich um die Menschen oder die Pferde zu kümmern, zum Tor.
Ich habe recht, dachte Aimee und blickte verstohlen zum Baron hinüber, der Henry und seinen Männern noch einige Anweisungen gab. Die Hunde wissen, was sie zu tun haben – und sie wissen zu unterscheiden.
Erst nach einer Weile bemerkte die Schäferin, dass sie sich an der Gestalt des Barons festgestarrt hatte. Im selben Moment sah Ravencroft auf, und ihre Blicke trafen sich.
»Nun denn, Aimee, komm an meine Seite, wir reiten los.«
Die Schäferin schwang sich auf ihren Rappen und lenkte ihn zwischen die Männer.
Als sie zur Burg zurückblickte, bemerkte sie eine weiße Gestalt an einem der Fenster. Wollte die Baronin ihrem Gatten vor der Jagd doch noch zuwinken?
Nein,
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