Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Gallaga
Vom Netzwerk:
unberührt von der sie umgebenden Armut, gingen Noah und Jeremias weiter und verschwanden in einer Hütte am Waldrand, die sich in keiner Weise von den anderen unterschied. Ein einfaches Fenster in der Rückwand war die einzige Öffnung, durch die Licht in diesen Holzkasten scheinen konnte. Irgendetwas in Charlottes Seele rebellierte beim Anblick dieses Ortes. Aber sie wollte dem keine Beachtung schenken. Sie versuchte sich einfach nur auf die beiden Jungen zu konzentrieren, um all die Bilder abzuwehren, die ihr Herz bestürmten.
    Immer noch im Schutz des Waldes, schlich Charlotte zu einer Eiche, die genau hinter der Hütte stand, in der Noah und Jeremias gerade verschwunden waren. Sie wollte unbedingt wissen, was in der Hütte geschah, aber ihre Füße weigerten sich, noch weiter zu gehen. Dabei war das Fenster so nah, es waren nur ein paar Schritte bis dorthin. Gerade als Charlotte den nötigen Mut zusammengenommen hatte, um das Versteck zu verlassen, bewegte sich etwas hinter ihr. Wie ein Blitz rannte sie los in Richtung Herrenhaus.
    Nachdem sie das Sklavendorf gesehen hatte, erwog sie, zu ihrem Vater zu gehen. Sie wollte wissen, warum es auf New Fortune einen solchen Ort gab. Aber sie überlegte es sich anders. Ihr Vater sollte nicht erfahren, dass Charlotte sich trotz seines Verbots diesem Bereich genähert hatte. Sie erinnerte sich daran, dass der Vater ihr unzählige Male erklärt hatte, dass Sklaven anders waren als weiße Menschen und auch nicht die gleichen Bedürfnisse hatten.
    Trotzdem hatte Charlotte das Gefühl, dass nicht einmal die Sklaven unter solchen Bedingungen leben sollten. Sogar Hortensias Vögelchen hatte einen hübschen goldenen Käfig mit einer Schaukel.
    Aber ihr Vater konnte sich nicht irren. Die Sklaven waren nicht wie sie, und sosehr ihre Mutter auch versuchte, sie vom Gegenteil zu überzeugen, ihr Vater hatte ihr das Versprechen abgenommen, diese Tatsache niemals zu vergessen. So hatte Charlotte also beschlossen, nicht mehr an den Vorfall zu denken und nie wieder einen Fuß an diesen schrecklichen Ort zu setzen.
    Aber jetzt, nur eine Woche später, war alles anders. Dieser Dummkopf Noah hatte vergessen, wo er hingehörte, und hatte erreicht, dass Charlotte dafür bestraft wurde. Dabei würde ihre Mutter diesem Jungen ohnehin niemals Lesen und Schreiben beibringen können. Jeder Weiße wusste, dass schwarze Kinder nicht schlau genug waren, um etwas zu lernen. Und mit diesen Rachegedanken, die ihr Bewusstsein vollkommen ausfüllten, lenkte sie ihre Schritte erneut in Richtung Sklavendorf.
    Als sie näher kam, verschwand der gepflegte Rasen, und eine Unzahl ausgetrockneter, kreuz und quer verlaufender Feldwege tauchte auf. Obwohl die Hütten sich alle glichen, fiel es ihr nicht schwer, diejenige wiederzuerkennen, in der Noah und Jeremias vor ein paar Tagen verschwunden waren. Sie erinnerte sich sehr gut an den dicken und knorrigen Baumstamm, der ihr als Versteck gedient hatte. Obwohl sie wusste, dass zu dieser Tageszeit alle Sklaven auf den Feldern waren, war sie vorsichtig. Sie wollte auf keinen Fall entdeckt werden, weder von einem verspäteten Sklaven, der die Hütten noch nicht verlassen hatte, noch von einem, der vor Ende des Arbeitstages zum Dorf zurückkehrte.
    Sobald sie sicher sein konnte, dass keine Gefahr drohte, verließ sie den Schutz des Waldes und rannte zu der Hütte. Sie drückte sich eng an die Wand und schlich vorsichtig um die Hütte herum. Dann stand sie vor dem Eingang.
    Ihr Herz klopfte so laut, dass sie beinahe fürchtete, die Schläge könnten sie verraten. Stockend atmete sie ein, rang förmlich nach Luft, während Furcht ihre Bewegungen lähmte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals solche Angst gehabt zu haben. Aber sie würde sich nicht aufhalten lassen. Ein ausgehungerter, müde aussehender Hund strich an ihr vorbei und hob nicht einmal den Kopf. Charlotte wollte sich nicht umsehen. Weder wollte sie die Reste der Lagerfeuer betrachten, über denen die Sklaven kochten, noch herausfinden, wo der starke Geruch nach menschlichen Ausscheidungen herkam. Obwohl sie sich so sicher war, dass die Bewohner dieser Siedlung nicht so waren wie sie selbst, überkam sie eine seltsame Unruhe, als sie die Tür zu Noahs Hütte öffnete.
    Sobald die Tür hinter ihr zugefallen war, kam es ihr so vor, als versuchte sogar das Sonnenlicht, diesem hoffnungslosen Ort schnell zu entfliehen. Niemals hätte Charlotte gedacht, dass jemand mit so wenigen Dingen leben konnte. Kalt und

Weitere Kostenlose Bücher