Fesselndes Geheimnis
damals, als ich ein junges Mädchen war. Mara pflegte sich manchmal darüber lustig zu machen …«
»Sie kennen einander schon lange, Sie und Mara?«
»Ja.« Sie warf Felix abermals einen scharfen Blick zu. »Übrigens, junger Mann – auch Sie kommen mir vage bekannt vor.«
»Dann müsste ich Sie ja auch kennen«, erwiderte er, »und ich kann mich nicht entsinnen, Sie schon jemals gesehen zu haben, Mrs Maertens.«
»Miss Maertens, please. Ich habe nie geheiratet.« Sie seufzte, sah wieder mich an und erzählte weiter: »Die verrückte, leidenschaftliche Mara Noire und ich. – ›De Dolle Geit‹ haben wir zusammen gegründet und das zu einer Zeit, die mehr als prüde war. Jedenfalls in Belgien,und erst recht in Antwerpen!« Sie lachte hell auf. »Wir führten da frivole Performance-Shows auf, wir hatten Nacktmodels, die auch mal gefesselt wurden oder mit Peitschen spielten … klar, dass wir immer wieder aneckten und auch oft handfesten Ärger kriegten. Es kümmerte uns nicht. Wir waren jung, wir waren frech … ich malte die Bühnenbilder, wir zogen andere Künstler an … so wie den Vandenvoorde, der damals auch noch fast unbekannt war.«
Gunter
, dachte ich bei mir,
er ist also auch schon lange mit dabei
.
»Gunter Vandenvoorde«, sagte ich laut, »ja, ich habe ihn in ›La Belle Folie‹ kennen gelernt.«
»Dann weißt du sicher auch Bescheid über Gunters riesige begehbare Eisenskulptur in den Dünen von Bredene …?«, fragte Yvonne und schaute mich mit ihren klugen Augen aufmerksam an.
Ich nickte.
»Und dann war da dein Vater, der sich mit Gunter anfreundete«, fuhr sie fort.
Ich zuckte leicht zusammen.
Ein alter Freund hat mir geholfen, mein Werk zu restaurieren
… Die Stimme Gunters hallte in meinem Kopf wider. Stück für Stück setzten sich die Puzzlestückchen zusammen.
Mit zitternden Händen mein Handy hervor und öffnete das Fotoarchiv, um Madame Maertens jenes ganz bestimmte Foto zu zeigen.
Sie setzte ihre Brille auf und studierte es sorgfältig.
»Wer ist die dritte Frau, die mit der Katzenmaske? Ich hatte vermutet, dass Sie es vielleicht sein könnten …«
Yvonne schüttelte den Kopf. Ihre Augen verdunkelten sich.
»Durch Affären und Eifersucht wird oftmals vieles kaputt gemacht. Zunächst gebärdeten die drei sich als freigeistig in Sachen Erotik, sie wollten Vorreiter sein, avantgardistisch. Dein Vater, Mara und Sybil. Das Bild wurde vor fünfundzwanzig Jahren gemacht, my dear …« Sie streckte liebevoll ihren Arm aus und streichelte mich. »Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich«
»Sie starb vor acht Monaten«, sagte ich so nüchtern, wie es mir möglich war.
»Und seitdem suchst du deinen Vater?«
»Ja. Jetzt bin ich frei genug dafür, jetzt brauche ich kein schlechtes Gewissen mehr zu haben.«
Yvonne lehnte sich in ihrem Sessel zurück, die Hände im Schoß gefaltet.
»Das Foto ist sehr symbolisch. Dein Vater legt den Arm um Mara, doch das Kostbarste, was er besaß, hat er deiner Mutter angelegt …«
»Den Diamantschmuck«, flüsterte ich heiser. »Wem gehörte er ursprünglich?«
Sie hob die Schultern. »Wer weiß? Edvard Danzer hat ihn gekauft? Hat ihn gestohlen? Ihn gestohlen bekommen …?«
Das erschütterte mich ziemlich, und erst in der zweiten Sekunde schnappte ich ein wenig nach Luft. Er hatte also diesen Schmuck zweimal gestohlen!
Die lebensklugen blauen Augen der anderen Frau sahen mich gütig an.
»Dein Vater stand immer zwischen diesen beiden Frauen. Und weder hat Mara ihm je verziehen, dass er dieses Wertstück Sibyl schenkte, noch konnte die eifersüchtige Sibyl damit umgehen, dass er eine Dauer-Affäre mit Mara pflegte …«
Sie goss uns Tee nach.
Ich schlürfte ihn gedankenverloren … wusste nicht recht, welche Frage ich als nächstes stellen sollte.
Mein Blick streifte Felix, und ich stutzte. Was war mit ihm? Schon seit ein paar Minuten hatte er nichts mehr gesagt – und diese totale Schweigsamkeit passte nicht zu ihm. Ich sah ihn genauer an und bemerkte, dass er unter seiner piratenhaften Sonnenbräune ganz blass geworden ist.
»Was hast du?«, fragte ich ihn auf Deutsch.
Er versuchte ein Lächeln, was aber ziemlich misslang. »Spannungskopfschmerzen«, antwortete er dann tonlos, und sofort wusste ich Bescheid. Als wir noch liiert gewesen waren, hatte er mehrere Anfälle gehabt, so dass ich vorbereitet war und ihm helfen konnte. Seine Kopfschmerzen gingen manchmal in grässliche Cluster-Anfälle über, dann fiel er jedesmal für Stunden
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