Fessle mich!
Walt-Disney-Unterwäsche. Sie aßen Pfannkuchen nicht mit den Händen und schleckten hinterher auch noch genüsslich die Finger ab. Sie teilten ihr Bett nicht mit einem Zoo von Kuscheltieren und sie schliefen nicht in einem Raum, der einem Meeresaquarium die Schau stahl.
Hätte er doch auf seinen Verstand gehört und nie einen Blick in dieses Schlafzimmer geworfen! Es rächte sich, wenn man dem Gesang der Sirenen lauschte, das lernte man schon in der Schule. Aber er hatte es wieder einmal besser wissen wollen. Jetzt musste er zusehen, wie er die Suppe auslöffelte, die er sich eingebrockt hatte. Er saß wirklich ganz schön in der Patsche. Warum hatte er nur so viel Zeit mit Macys kindischen Spielchen vertändelt? Sie hatten ihn keinen Schritt vorangebracht. Im Gegenteil, er war ein ganzes Stück zurückgefallen.
Missmutig betrachtete er den riesigen Stapel von Akten, der sich auf seinem Schreibtisch türmte, und die Kritzeleien auf dem Block. Die Henne zog einen Hahn an der Leine hinter sich, der schwere Ketten an den Füßen trug. Das war alles, was Leo während einer ganzen Stunde am Schreibtisch zu Wege gebracht hatte. Eine magere Ausbeute!
“Leo?”
Leo fuhr hoch. Macy stand im Türrahmen und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. Er musste so in seine Trübsal vertieft gewesen sein, dass er überhaupt nicht gehört hatte, wie sie geklopft und die Tür aufgemacht hatte.
“Komme ich ungelegen?”
Leo drehte hastig den Block um, sodass die Zeichnung nicht zu sehen war. Er schüttelte den Kopf. “Komm nur rein. Für heute habe ich mir genug geleistet.”
Sie lächelte zaghaft und schob sich die Haare aus dem Gesicht. “Ich will dich auch nicht lange stören. Eigentlich komme ich nur, um mich zu entschuldigen. Für den Lärm und … alles andere. Wir sind ein bisschen außer Rand und Band geraten. Es … tut mir echt leid.”
Leo quittierte die Entschuldigung mit einem Nicken. Macy und ihre Freundinnen waren ihm mehr als nur ein bisschen auf den Wecker gegangen, aber das spielte auf einmal keine Rolle mehr. Viel wichtiger war doch, dass Macy jetzt hier war. “Wie bist du reingekommen? Woher wusstest du überhaupt, wo ich bin?”
“Ach”, begann Macy. Ihre Stimme und die fahrigen Gesten, mit denen sie ihre Worte unterstrich, verrieten ihre Nervosität. “So schwer war das nicht zu erraten. Wenn du nicht zu Hause bist, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: das Fitnessstudio oder das Büro.”
Zu Hause!
Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen verkniff Leo es sich, Macy darauf hinzuweisen, dass er nur ein vorübergehender Gast in ihrer Wohnung war.
“Ehrlich gesagt, bin ich dir gefolgt.”
Leo krallte die Finger in das weiche Leder der Armlehnen. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht sofort zu fragen, weshalb sie ihm nachgelaufen war.
Macy wagte sich einen Schritt weiter ins Büro hinein. “Die Tür war nicht richtig ins Schloss gefallen und da bin ich eben eingetreten. Ich kenne das von meiner Wohnung. In diesen alten Gebäuden muss man die Türen richtig zuknallen. Ich hoffe, du bist mir deshalb nicht böse.” Sie machte noch einen Schritt, einen sehr großen diesmal, und schloss die Tür hinter sich. “Das bist du doch nicht, oder?”
“Was?” Leo konnte sich beim besten Willen nicht mehr an ihre Frage erinnern. Er hatte größte Mühe, sich auf seinem Stuhl zu halten und gleichmäßig zu atmen.
“Ob du mir böse bist, weil ich sozusagen unbefugt eingedrungen bin.”
Leo winkte ab. “Mein Fehler. Ich habe grob fahrlässig gehandelt, als ich die Tür nicht ordnungsgemäß geschlossen habe.”
“Jetzt ist sie aber zu.”
“Prima.”
Macy lehnte sich gegen die Tür. Vor dem Hintergrund aus massivem Holz wirkte Macys zierliche Gestalt sehr zart und zerbrechlich, um nicht zu sagen kindlich. Und doch war sie eine Frau, eine begehrenswerte Frau. Eine Frau, die Leo gefährlich werden konnte.
“Ich wollte mich noch einmal für den Lärm entschuldigen”, wiederholte Macy schüchtern.
“Das hast du bereits. In deiner Wohnung kannst du so laut sein, wie du willst.” So unsicher hatte Leo sie noch nie erlebt. Sie war nicht der Typ, der lange um den heißen Brei herumredete.
“Schon, aber ich sollte wirklich mehr Rücksicht auf dich nehmen. Manchmal vergesse ich einfach, dass du noch nicht so lange mit mir zusammenwohnst wie Lauren. Sie hat auch eine Weile gebraucht, bis sie sich an …” Macy verbarg die Hände tief in den weiten Taschen ihrer olivgrünen
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