Fest der Herzen: Geständnis unterm Weihnachtsbaum / Schicksalstage - Liebesnächte
zum völligen Stillstand, wenn im Kalender einer von diesen Feiertagen eingetragen war. Nur das Leid, von dem es auf der Welt viel zu viel gab, nahm an diesen Tagen keine Auszeit.
„Ich weiß, du magst keine Feiertage, an denen die ganze Familie zusammenkommt“, sagte Ashley und füllte den dampfenden Cider aus dem Kochtopf in eine Kupferkanne um, aus der das Getränk dann in die Teetassen eingeschenkt wurde, die mitten auf dem antiken runden Tisch standen. Olivia hätte den Cider direkt aus dem Topf in die Tassen umgefüllt und damit vermutlich mindestens die Hälfte auf der Tischplatte und auf dem Boden verteilt.
Sie war einfach nicht für solche Dinge geschaffen, da offenbar alle Gene, die irgendetwas mit Küche und Haushalt zu tun hatten, ausschließlich an Ashley vererbt worden waren.
Ihre Schwester sah sie mit ernster Miene an. „Letztes Jahr musstest du einer Kuh unbedingt den Blinddarm herausoperieren, weshalb du dich so schnell verabschiedet hast, dass ich nicht mal Zeit hatte, den Kürbiskuchen zu servieren.“
Olivia seufzte leise. Ashley hatte sich letztes Jahr für das Thanksgiving-Essen regelrecht krummgelegt und Wochen im Voraus Rezepte gesammelt und mit ihnen experimentiert wie ein Wissenschaftler, der auf der Suche nach einem Heilmittel fürirgendeine Krankheit war – und das alles nur, weil sie sich darauf freute, ihre liebe Verwandtschaft zu bewirten.
„Haben Kühe überhaupt einen Blinddarm?“, hakte Ashley nach.
Lachend zog Olivia einen Stuhl nach hinten und setzte sich an den Tisch. „Der Cider duftet köstlich“, sagte sie, um das Thema zu wechseln. „Und deine Kekse sind kleine Kunstwerke. Die sind fast zu schade zum Essen. Martha Stewart wäre bestimmt stolz auf dich.“
Ashley setzte sich zu ihr, aber sie wirkte unverändert bedrückt. „Warum hasst du Feiertage so, Olivia?“, wollte sie wissen.
„Ich hasse Feiertage nicht“, widersprach sie. „Es ist nur dieser ganze sentimentale Kram …“
„Dir fehlt Big John … und Mom“, unterbrach ihre Schwester sie leise. „Warum gibst du das nicht einfach zu?“
„Big John fehlt uns allen“, räumte sie ein. „Aber was Mom angeht … sie ist schon lange weg, Ash. Sie ist schon verdammt lange weg. Bei ihr ist es nicht so sehr die Frage, ob sie mir fehlt.“
„Aber fragst du dich nicht manchmal auch, warum sie Stone Creek verlassen hat? Ob sie glücklich ist? Ob es ihr gut geht? Ob sie wieder geheiratet und wieder Kinder gekriegt hat?“
„Ich versuche, darüber nicht nachzudenken“, gestand Olivia ihr.
„Du hast damit ein Problem, dem du dich nicht stellen willst“, warf Ashley ihr vor.
Olivia seufzte und nippte an ihrer Tasse Cider. Das Zeugs war wirklich köstlich, so wie alles, was ihre Schwester in der Küche zusammenbraute.
Mit einem Mal hellte sich Ashleys Engelsgesicht auf, da sie gerade wieder einen ihrer quecksilbrigen Sinneswandel durchmachte und aus heiterem Himmel Hoffnung zu schöpfen begann. „Angenommen, wir finden sie“, hauchte sie. „Ich meine Mom …“
„Angenommen, wir finden sie?“, wiederholte Olivia sonderbar beunruhigt.
„Es gibt doch im Internet all diese Suchmaschinen“, fuhr Ashley begeistert fort. „Ich war gestern Nachmittag in der Bibliothek und habe bei Google Moms Namen eingegeben.“
Ach, du liebe Güte , schoss es Olivia durch den Kopf, während ihr das Blut aus den Wangen wich.
„ Du hast dich an einen Computer gesetzt?“
Ashley nickte. „Ich überlege auch schon, ob ich mir einen eigenen zulegen soll. Dann könnte ich eine Website einrichten, damit mehr Leute auf mein Bed & Breakfast aufmerksam werden.“
Die Dinge waren im Wandel, musste Olivia in diesem Moment erkennen. Sie hasste Veränderungen. Warum konnten sich die Leute nie mit dem zufriedengeben, was sie hatten? Warum wollten sie alle immer etwas Neues, etwas anderes?
„Es gibt mehr Frauen mit dem Namen Delia O’Ballivan, als du dir vorstellen kannst“, fuhr sie fort. „Und eine von ihnen muss Mom sein.“
„Ash, Mom könnte längst tot sein. Oder sie könnte einen anderen Nachnamen haben …“
Ashley schaute sie beleidigt an. „Du redest genauso wie Brad und Melissa. Wenn ich Brad auf Mom anspreche, wird er mit einem Mal wortkarg. Er hat mehr Erinnerungen an sie, weil er älter ist, und von ihm bekomme ich nur zu hören: ‚Fang nicht damit an.‘ Und Melissa glaubt, dass Mom drogenabhängig ist oder ihr Geld als Nutte verdient.“ Sie atmete schnaubend aus. „Ich dachte, dir fehlt Mom
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