Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
des Neugeborenen gierig nach ihrer Brust suchte, streifte sie ihr Moiregewand ab und ließ den wallenden Stoff zu Boden gleiten. Tausend winzige Sonnenstrahlen, die durch das grüne Flechtwerk der Hütte drangen, sprenkelten den nackten Körper der Königin mit glitzernden Pünktchen, zart und angenehm mild wie Liebkosungen. Ihr langes Haar fiel ihr gleich einem schwarzen Wasserfall über den Rücken, der mit ihrer bläulichen Haut kontrastierte und sich langsam und wellenartig im Rhythmus eines Wiegenliedes aufund ab bewegte, das ihr wie von selbst über die Lippen kam. Rhiannon, die an ihre Brust mit den dunklen Warzenhöfen geschmiegt lag, klimperte mit den Augen und schien schon wieder bereit einzuschlafen. Lliane lächelte, als sie die Nase in dem struppigen Haar ihrer Tochter rieb und deren süßen Babyduft roch. Sie war so rosig und wohlgenährt... Eine Menschenmutter wäre wahrscheinlich über die blasse Haut erschrocken, doch eine Elfe gewiss nicht! Deren Neugeborene waren oft beängstigend mager, grau wie Stein, zerbrechlich wie Glas, und viele von ihnen wurden nur wenige Wochen alt. Rhiannon wäre in den Augen der blauen Wesen vermutlich nur ein Bastard, doch zumindest würde sie leben.
Lliane küsste sie noch einmal und rüttelte sie sanft, damit sie erwachte und wieder zu saugen anfing; dann warf sie, einer plötzlichen Anwandlung folgend, ihr langes Haar nach hinten und ließ ihren Blick durch die Hütte schweifen. Llandon war nicht mehr da ... Doch es war nicht allein seine Abwesenheit, die sie so leer erscheinen ließ. Es waren keine Waffen mehr da und auch keine Kleider, außer denen der Königin. Weder der Bogen noch die Speere oder der Tornister, in den Llandon seinen Proviant und seinen Silberschmuck hineinpackte, wenn er Eliande verließ. Der König war fort.
Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, sich anzuziehen, das Kind noch immer in den Armen, lief die Elfe aus der Hütte hinaus. Die strahlende Augustsonne blendete sie für einen Moment, und als sie die Augen öffnete, bemerkte sie die düsteren Blicke, die ihre beiden Brüder ihr zuwarfen. Sie saßen ein Stück entfernt, in Kriegsmontur, ihre Bögen über die Schulter gehängt und ihre eifischen Dolche an der Seite. Auch Gwydion war da, genau wie Blodeuwez. Und alle schienen auf sie zu warten, mit der gleichen vorwurfsvollen und gespannten Miene. Sie wich einen Schritt zurück, als sie den großen Druiden erblickte, verlegen, ihm nackt unter die Augen zu treten (die Elfen waren nicht schamhaft, und im Übrigen war ihre natürliche Unbefangenheit in diesen Dingen ein Lieblingsthema der Mönche; doch sie war Königin, und es geziemte sich nicht, dass eine Königin sich derart vor einem Druiden enthüllte außer vielleicht in den Nächten der Beltaine).
»Komm«, sagte Blodeuwez, die auf sie zulief, um sie in den Schutz der Hütte zu ziehen. »Ich werde dich ankleiden.«
Lliane ließ sich das Baby abnehmen, das ihre Freundin auf sein Bettchen aus Farnkraut und Moos legte, dann zog sie ihr Moiregewand wieder an, ihre breiten Silberarmreifen und ihre hohen Wildlederstiefel, die ihr bis zum Knie hinaufreichten.
Sie reagierte nicht, als die Heilerin ihr ihr Gehänge um die Taille schnallte, an dem schwer Orcomhiela hing, die »Dämonengeißel«, ihr sagenumwobener Dolch; doch sie stöhnte, als der Ledergürtel ihren noch immer geschwollenen Bauch einschnürte. (Wozu würde sie denn eine Waffe brauchen?) Mit klopfendem Herzen und erhitztem Gemüt ließ sie es über sich ergehen, während sie ihre Freundin mit Fragen bedrängte, auf die Blodeuwez keine Antwort gab.
»So, das hätten wir!«, sagte diese und trat einen Schritt zurück, um sie zu bewundern. »Nun siehst du aus wie eine Königin.«
Sie lächelte flüchtig und machte Anstalten zu gehen, aber Lliane hielt sie mit einer Handbewegung zurück.
»Warte!«
Die Elfe zögerte, besann sich dann jedoch wieder und beugte bereits den Oberkörper, um nach draußen zu schlüpfen.
»Warte!«
Diesmal gehorchte Blodeuwez. Lliane hatte einen Kommandoton angeschlagen. Und als ihre Freundin sich darüber klar wurde, runzelte sie vorwurfsvoll und zugleich mürrisch die Stirn.
»Was geht hier vor, Blodeuwez?«, fragte die Königin.
»Sie sind fort, das geht vor!«
Lliane wandte den Kopf nach dem leeren Lager Llandons um, und diese Bewegung konnte ihrer Freundin schwerlich entgehen.
»Oh, nicht nur er«, bemerkte sie. »Sie sind alle fort! Nur wir sind noch da ...«
Und unvermittelt
Weitere Kostenlose Bücher