Feuer und Eis
ihren Kopf. Sie schluckte.
Ganz gleich, wie oft sie sich dieses Gespräch vorstellte, jedes Mal sah sie, wie sich seine dunklen Augen zu schmalen Schlitzen verengten, sah sie abschätzig aufflackern …
„Ich habe Narben … von einem Autounfall.“
Und dann?
„Ich wurde wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet, aber die Anklage wurde fallen gelassen.“
„Ach, und warum war das so, Karin?“
Wenn sie ein Detail erwähnte, musste sie auch alle anderen preisgeben. Jeder Teil ihrer Vergangenheit war mit dem anderen verknüpft. Womit sollte sie anfangen? An welchem Punkt fing Vertrauen an?
Vertrauen war undenkbar, so einfach war das.
Karin barg den Kopf in ihren Händen. Xante von ihrer Vergangenheit zu erzählen, bedeutete, ihm alles zu gestehen. Und das hatte sie schon einmal versucht.
Die Erinnerung daran ließ sie zusammenzucken. Vor ihrem geistigen Auge erschienen ihre verzweifelten Versuche, mit David zu schlafen. David, der verlangt hatte, die Wahrheit zu erfahren und zurückgeschreckt war, als sie ihm alles gebeichtet hatte. David, der sich durchaus bemüht hatte, nicht den Blick abzuwenden, als sie ihm ihre Narbe gezeigt hatte. Er hatte geschworen, dass sich an seinen Gefühlen für sie nichts geändert hatte – nur sein Körper hatte da nicht mitgespielt.
Wieder und wieder war ihr eine Reaktion verwehrt geblieben.
„Es liegt nicht an dir“, hatte er ihr versichert. Aber Karin wusste genau, dass das nicht stimmte.
„Wir schließen jetzt.“
Karin schaute zu dem Reinigungsmann auf, bedankte sich für seine Hilfe und hastete zum Parkplatz. Im Wagen blieb sie noch eine Weile sitzen und überlegte, welche positiven Aspekte diese Geschichte bereithielt. Denn etwas Positives gab es doch immer, oder?
Zumindest war David nicht zur Presse gegangen. Es gab doch nichts Besseres als Impotenz, um einen Mann zum Schweigen zu bringen!
Als sie den Wagen an den unzähligen Pubs vorbeilenkte, in die ihr Großvater sie oft nach dem Training mitgenommen hatte, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie wusste, dass er vom Himmel aus über sie wachte.
Auch Xante verbrachte keine gute Nacht.
Gut, er fror nicht auf der leeren Tribüne in Twickenham. Aber die Rugbyspieler in seiner Hotelbar, die ihn unaufhörlich nach Karin fragten, waren auch nicht viel besser. Wütend und frustriert machte er sich auf den Weg in seine Suite. Dort wanderte er ruhelos auf und ab und überlegte, welche Ablenkung wohl am besten zu seiner Laune passte.
Oh, es gab viele Frauen, die er anrufen konnte. Mandy hatte vier Nachrichten auf seiner Mobilbox hinterlassen. Sogar Athena hatte angerufen. Allein ihre Stimme reichte aus, um ihn daran zu erinnern, dass es richtig war, Karin gegenüber ein gesundes Misstrauen an den Tag zu legen.
„Ich freue mich schon, dich morgen zu sehen“, hatte seine Exverlobte geflötet. „Dann können wir über die guten alten Zeiten plaudern.“
„Welche guten Zeiten, Athena?“, hatte er spöttisch nachgefragt. „Du hast mich von vorne bis hinten belogen.“
Angefangen hatte es, da waren sie noch Teenager. Einen Winter lang waren er und die süße Athena ein Paar. Er hatte ihr die Unschuld genommen, die zu verlieren sie kaum erwarten konnte. Aber als der Frühling kam, begann Athena sich mit seinen unternehmerischen Plänen zu langweilen, die immer mehr von seiner Zeit in Anspruch nahmen.
Athena war naiv genug zu glauben, jeder zukünftige Liebhaber wäre so erfahren und zärtlich wie Xante. Also zog sie in die Welt hinaus, um einen Mann zu finden, der es in der Geschäftswelt bereits zu etwas gebracht hatte.
Jahre später, als Xante seine Mutter besuchte, weilte auch Athena rein zufällig auf der Insel. Natürlich hatte er ihr nichts von seinem Reichtum erzählt; selbst seine Familie wusste nicht genau, welche Erfolge er mit seinen fünfundzwanzig Jahren aufweisen konnte. Und als er sie an einem Abend auf dem Boden im Wohnzimmer ihrer Eltern geliebt hatte, und sie in seinen Armen liegend immer wieder beteuerte, wie sehr sie ihn vermisst hatte, da war es ihm leichtgefallen zu glauben, er habe sich in sie verliebt.
Wie nahe dran sie gewesen war, einen kompletten Narren aus ihm zu machen!
Nur schien Athena sich mit den Jahren eine andere Geschichte zusammengestrickt zu haben.
Die Schande einer in letzter Minute abgesagten Hochzeit verblasste mehr und mehr, bis sie schließlich aus ihrem Gedächtnis verschwunden war. In den vergangenen Monaten hatte sie ihn immer häufiger angerufen. Meistens
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