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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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vielleicht beschlossen, sich von Ihren Verwandten zu trennen?« Der Hauptmann lehnte sich, fasziniert von dieser Spekulation, zurück.
    »War die Hochzeitsnacht womöglich eine härtere Prüfung als angenommen?« fragte er. »Ich muß gestehen, ich war ein wenig ungehalten, als ich erfuhr, daß Sie lieber mit einem dieser haarigen, halbnackten Wilden das Lager teilen, statt weitere Gespräche mit mir zu führen. Das kündet von ausgeprägtem Pflichtgefühl, Madam, und ich muß Ihrem Dienstherrn, wer immer das sein mag, gratulieren, daß er Sie solcherart zu inspirieren vermochte.« Randall lehnte sich noch weiter zurück und balancierte den Weinpokal auf seinem Knie. »Leider muß ich darauf bestehen, daß Sie mir den Namen Ihres Dienstherrn nennen. Wenn Sie sich tatsächlich von den MacKenzies getrennt haben, liegt der Verdacht nahe, daß Sie eine französische Agentin sind. Aber wessen Agentin?«
    Der Hauptmann starrte mich an wie eine Schlange, die einen Vogel zu hypnotisieren hofft. Inzwischen hatte ich mir jedoch etwas Mut angetrunken und hielt seinem Blick stand.
    »Oh«, sagte ich mit ausgesuchter Höflichkeit, »ich bin an diesem Gespräch auch beteiligt? Ich dachte, Sie kämen vorzüglich allein zurecht. Bitte fahren Sie fort.«
    Randalls anmutig geschwungene Lippen wurden ein wenig verkniffen, und die Falte an seinen Mundwinkeln vertiefte sich, doch er sagte nichts. Er stellte den Pokal beiseite, erhob sich, nahm die Perücke ab und verstaute sie im Schrank. Er hielt einen Moment inne, als er die Sandkörner sah, die seine andere Perücke zierten, aber sein Gesichtsausdruck wandelte sich nicht merklich.

    Seine Haare waren dunkel, dicht, fein und glänzend. Und sie wirkten verstörend vertraut, obwohl sie schulterlang und mit einem blauen Seidenband zurückgebunden waren. Randall entfernte das Band, holte den Kamm vom Schreibtisch und frisierte die von der Perücke zerdrückten Haare; dann band er sie wieder zusammen. Hilfsbereit hielt ich ihm den Spiegel hin, damit er den Effekt beurteilen konnte. Randall nahm ihn mir auf pointierte Weise ab, legte ihn an seinen Platz zurück und schloß die Schranktür, ja schlug sie fast zu.
    Ich wußte nicht, ob er mich mit dieser Verzögerung nervös machen wollte, oder ob er sich nicht entschließen konnte, was er als nächstes tun sollte.
    Die Spannung löste sich ein wenig, als ein Bursche eintrat und ein Tablett mit Tee brachte. Nach wie vor schweigend, goß Randall ein und bot mir eine Tasse an. Wir tranken.
    »Sagen Sie’s nicht«, meinte ich schließlich. »Lassen Sie mich raten. Sie haben eine neue Form der Überredungskunst ersonnen - die Blasenfolter. Sie schütten mich mit Getränken voll, bis ich Ihnen verspreche, alles auszuplaudern, wenn Sie mir nur fünf Minuten auf dem Topf gewähren.«
    Randall war dermaßen überrascht, daß er wahrhaftig lachte. Sein Gesicht war plötzlich wie verwandelt, und es fiel mir nicht schwer zu begreifen, warum in der linken unteren Schublade seines Schreibtisches so viele parfümierte Briefumschläge lagen. Als Randall ausgelacht hatte, starrte er mich wieder an, doch ein Schmunzeln blieb zurück.
    »Was immer Sie sonst noch sein mögen, Madam, wenigstens sind Sie unterhaltsam«, bemerkte er. Dann betätigte er den Glockenzug, der bei der Tür hing, und als der Bursche wieder auftauchte, wies er ihn an, mich zum entsprechenden Ort zu führen.
    »Tragen Sie nur Sorge dafür, die Dame unterwegs nicht zu verlieren, Thompson«, fügte er hinzu und öffnete mir mit einer ironischen Verbeugung die Tür.
    Ich lehnte mich matt gegen die Wand des Abtritts, zu dem mich der Bursche geleitet hatte. Randalls Gegenwart entkommen zu sein, war eine - wenn auch nur kurze - Erleichterung. Ich hatte reichlich Gelegenheit gehabt, den wahren Charakter des Hauptmanns einzuschätzen, sowohl anhand der Geschichten, die ich gehört hatte, als auch aufgrund eigener Erfahrung. Doch immer wieder
zeigte sich hinter dem kalten, rücksichtslosen Äußeren diese verdammte Ähnlichkeit mit Frank. Es war ein Fehler gewesen, dachte ich, den Hauptmann zum Lachen zu bringen.
    Ich setzte mich, ignorierte den Gestank und konzentrierte mich auf das Problem, mit dem ich es zu tun hatte. Eine Flucht schien unmöglich. Vor der Tür stand der aufmerksame Thompson, außerdem befand sich Randalls Dienstzimmer in einem Gebäude, das fast in der Mitte des Geländes stand. Das Fort selbst war zwar eine ziemlich windige Angelegenheit, doch die Mauern waren drei Meter hoch

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