Feuer Und Stein
Rock jetzt bildete. Dann setzte ich den Fuß wieder auf den Stein.
Ich entdeckte, daß ich von Stein zu Stein gehen konnte, ohne auszurutschen, wenn ich mit meinen Zehen Halt suchte. Die gebauschten Röcke behinderten jedoch meine Sicht, und ich rutschte mehr als einmal aus.
Glücklicherweise wurde das Ufer nun wieder breiter, und dankbar stieg ich in den warmen, klebrigen Schlamm. Manchmal konnte ich halbwegs bequem gehen, weitaus öfter aber mußte ich mich vorsichtig inmitten rauschenden, eisigen Wassers von Stein zu Stein tasten. Zumindest war ich zu beschäftigt, um viel an Jamie zu denken.
Nach einer Weile hatte ich die Sache im Griff. Vielleicht war ich zu selbstsicher, vielleicht auch nur müde, jedenfalls wurde ich leichtsinnig und verfehlte mein Ziel. Ich rutschte ab, fuchtelte wild mit den Armen, versuchte, auf den Stein zurückzukommen, auf dem ich gestanden hatte, doch ich war schon zu sehr aus dem Gleichgewicht. Mit Röcken, Dolch und allem fiel ich ins Wasser.
Und sank und sank. Zwar war der Bach nur dreißig bis sechzig Zentimeter tief, aber da und dort, wo das Wasser brunnenartige Löcher in den Fels gegraben hatte, ging es auch weiter hinunter. Der Stein, auf dem ich ausgeglitten war, lag am Rande einer solchen tiefen Stelle.
Eisiges Wasser drang mir in Nase und Mund. Silbrige Blasen sprudelten aus meinem Mieder und blubberten an meinem Gesicht vorbei, der Oberfläche entgegen. Der Baumwollstoff war binnen Sekunden triefnaß, und die Kälte des Baches lähmte mich.
Ich kämpfte darum, nach oben zu gelangen, doch das Gewicht meiner Kleidung zog mich abwärts. Ich zerrte hektisch an den Bändern meines Mieders, aber ich konnte mir nicht alles vom Leib reißen, ehe ich ertrank. Unfreundliche Gedanken über Schneider, Damenmode und die Unsinnigkeit langer Röcke schossen mir durch den Kopf, während ich wild um mich trat, um mir die Gewänder von den Beinen zu strampeln.
Das Wasser war kristallklar. Meine Finger streiften Fels, glitten durch dunkle, schlüpfrige Wasserlinsen und Algen. Schlüpfrig wie eine Wasserpflanze, hatte Jamie gesagt, als …
Der Gedanke riß mich aus meiner Panik heraus. Plötzlich erkannte ich, daß es mich nur erschöpfen würde, wenn ich mich an die Oberfläche zu strampeln versuchte. Dieses Wasserloch war gewiß nicht tiefer als drei Meter; ich mußte mich nur entspannen, mich abwärts sinken lassen, die Füße gegen den Grund stemmen und emporspringen. Wenn ich Glück hatte, würde ich auftauchen und Atem holen können, und selbst wenn ich wieder unterging, konnte ich mich ja wieder vom Boden abstoßen, bis ich mich nahe genug ans Ufer herangearbeitet hatte, um einen Felsblock zu fassen.
Ich sank qualvoll langsam. Da ich mich nicht mehr nach oben kämpfte, bauschten sich die Röcke vor meinen Augen. Ich schlug sie fort; ich mußte das Gesicht frei haben. Meine Lungen platzten beinahe, und ich hatte schon dunkle Flecke vor Augen, als ich endlich den Grund erreichte. Ich winkelte die Knie an, drückte die Röcke abwärts und stieß mich mit aller Kraft nach oben.
Es ging fast wie gewünscht. Mein Kopf durchbrach die Oberfläche, und ich hatte gerade genug Zeit für einen lebensrettenden Atemzug; dann schlug das Wasser erneut über mir zusammen. Aber es war genug. Ich wußte, daß ich es wieder tun konnte. Ich preßte die Arme gegen meine Seite, um schneller nach unten zu kommen. Einmal noch, Claire, dachte ich. Beug die Knie, stoß dich ab, spring!
Ich hob die Arme und schoß empor. Vorhin hatte ich beim Auftauchen etwas Rötliches leuchten gesehen; eine Eberesche mußte übers Wasser hängen. Vielleicht konnte ich einen ihrer Äste packen.
Als mein Kopf die Oberfläche durchbrach, faßte etwas nach meiner Hand. Es war hart, warm und beruhigend fest. Eine andere Hand.
Hustend und spuckend tastete ich blind umher, zu glücklich über die Rettung, um die Unterbrechung meiner Flucht zu bedauern. Das Glücksgefühl hielt an, bis ich mir die Haare aus den Augen strich und in das fleischige, bange Gesicht von Korporal Hawkins blickte.
21
Eine schlimme Viertelstunde nach der anderen
Mit spitzen Fingern entfernte ich die Ranke einer Wasserpflanze von meinem Ärmel und legte sie auf den Tintenlöscher. Dann sah ich ein Tintenfaß und tunkte die Pflanze hinein, um damit interessante Muster auf das dicke Löschpapier zu malen. Ich ließ mich von der Tätigkeit mitreißen und krönte mein Meisterwerk mit einem rüden Wort, streute Sand darüber und löschte es ab. Dann
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