Feuer Und Stein
und die Doppeltore scharf bewacht.
Ich spielte mit dem Gedanken, Übelkeit vorzuschützen und an meinem Zufluchtsort zu bleiben, verwarf ihn aber, und das nicht nur, weil die Umgebung so unerfreulich war. Die traurige Wahrheit war, daß Verzögerungstaktiken wenig fruchteten, es sei denn, ich hätte einen Anlaß dafür, und den hatte ich nicht. Niemand wußte, wo ich war, und Randall hatte nicht vor, es jemandem zu verraten. Ich war ihm ausgeliefert, solange er sich mit mir amüsieren wollte. Wieder bedauerte ich, daß ich ihn zum Lachen gebracht hatte. Ein Sadist mit Humor war besonders gefährlich.
Während ich fieberhaft nachdachte und hoffte, mir möge etwas Nützliches über den Hauptmann einfallen, stieß ich auf einen Namen. Ich hatte damals nur mit halbem Ohr zugehört und ihn mir beiläufig eingeprägt, daher hoffte ich, daß ich ihn richtig behalten hatte. Es war eine jämmerlich bescheidene Karte, die ich da ausspielen wollte, doch ich hatte keine andere. Ich holte tief Luft, atmete hastig wieder aus und verließ den Abtritt.
Zurück im Dienstzimmer, gab ich Zucker in meinen Tee, dann Sahne, und rührte sorgfältig um. Nachdem ich die Zeremonie in die Länge gezogen hatte, so gut ich konnte, mußte ich Randall wohl oder übel anschauen. Er lehnte sich zurück - seine Lieblingspose - und hielt die Tasse graziös in der Luft, um mich über deren Rand hinweg betrachten zu können.
»Nun?« fragte ich. »Was haben Sie mit mir vor?«
Randall lächelte und nahm vorsichtig einen Schluck heißen Tee, ehe er antwortete.
»Nichts.«
»Tatsächlich?« Ich zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Hat Ihre Phantasie Sie im Stich gelassen?«
»Das möchte ich nicht hoffen«, antwortete Randall, höflich wie
immer. Sein Blick maß mich, alles andere als höflich, wieder einmal von oben bis unten.
»Nein«, sagte er, während seine Augen beim Ausschnitt meines Mieders verweilten, »so gerne ich Ihnen auch die dringend benötigte Lektion in Sachen Manieren gäbe - dieses Vergnügen muß ich leider auf unbestimmte Zeit vertagen. Ich werde Sie samt meinen nächsten Berichten nach Edinburgh schicken und möchte nicht, daß Sie dort versehrt eintreffen; meine Vorgesetzten könnten mir Nachlässigkeit vorwerfen.«
»Edinburgh?« Ich vermochte meine Überraschung nicht zu verbergen.
»Ja. Ich vermute, vom Tolbooth haben Sie schon gehört?«
Das hatte ich. Das Tolbooth war eins der gräßlichsten Gefängnisse seiner Zeit, berühmt-berüchtigt für Dreck, Verbrechen, Krankheiten und Finsternis. Etliche Häftlinge dort starben, ehe sie vor Gericht geführt werden konnten. Ich mußte schlucken.
Randall trank, sehr zufrieden mit sich, seinen Tee.
»Sie dürften sich dort recht wohl fühlen. Schließlich scheinen Sie eine Vorliebe für feuchten Schmutz zu haben.« Der Hauptmann warf einen verächtlichen Blick auf den nassen Saum meines Unterrocks, der unter meinem Kleid hervorlugte. »Das Tolbooth wird Ihnen so heimelig vorkommen wie Burg Leoch.«
Ich bezweifelte, daß die Küche im Tolbooth so gut war wie die bei Colum. Und einmal ganz abgesehen vom Komfort - ich durfte es nicht dulden, daß Randall mich nach Edinburgh schickte. Wenn ich erst im Tolbooth eingekerkert war, würde ich nie mehr zum Steinkreis zurückkommen.
Es wurde Zeit, meine Karte auszuspielen. Jetzt oder nie. Ich hob die Tasse.
»Wie Sie wollen«, sagte ich ruhig. »Doch was wird der Herzog von Sandringham dazu sagen?«
Randall warf seinen Tee um - er kleckerte auf seine rehlederne Hose - und machte einige Geräusche, die mein Herz erfreuten.
»Ts, ts, ts«, sagte ich rügend.
Der Hauptmann lehnte sich mit flammendem Blick zurück. Aus der umgestürzten Tasse lief der Tee auf den lindgrünen Teppich, aber Randall streckte die Hand nicht nach dem Glockenzug aus. Ein kleiner Muskel zuckte an seinem Hals.
Ich hatte den Stapel gestärkter Taschentücher in der linken oberen
Schreibtischschublade bereits entdeckt. Nun zog ich eines heraus und reichte es dem Hauptmann.
»Hoffentlich gibt das keine Flecken«, bemerkte ich honigsüß.
Randall ignorierte das Taschentuch. »Nein«, sagte er. »Nein, das ist nicht möglich.«
»Warum nicht?« fragte ich lässig und überlegte mir, was er wohl meinte.
»Das hätte man mir gesagt. Und wenn Sie für Sandringham arbeiten, warum, bei allen Teufeln, sollten Sie sich dann so lächerlich benehmen?«
»Vielleicht möchte der Herzog Ihre Loyalität auf die Probe stellen«, antwortete ich aufs Geratewohl und
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