Feuer Und Stein
gegangen.«
»Ach, deswegen warst du nicht beim Abendessen. Aber Pferde schwimmen doch gar nicht gern, oder?«
Er schüttelte den Kopf, während er sich mit den Fingern durch die Haare fuhr.
»Nein, normalerweise nicht. Aber sie sind wie die Menschen: Jeder ist anders. Und Cobhar mag die jungen Wasserpflanzen. Er knabberte am Ufer herum, als ein Rudel Hunde aus dem Dorf kam und ihn ins Wasser jagte. Ich verscheuchte sie und mußte dann hinter Cobhar her. Warte nur, bis ich den kleinen Hamish in die Finger kriege. Ich werde ihm beibringen, daß man Türen nicht offenläßt.«
»Wirst du es Colum erzählen?« fragte ich in einem Anfall von Mitgefühl für den kleinen Übeltäter.
Jamie schüttelte den Kopf und zog aus seiner Felltasche ein Stück Käse und ein Brötchen, die er offenbar auf dem Weg nach oben aufgegabelt hatte.
»Nein«, sagte er. »Colum ist ziemlich streng zu dem Jungen.
Wenn ihm zu Ohren käme, daß er so nachlässig war, dann würde er ihn einen Monat lang nicht reiten lassen - was er auch gar nicht könnte nach den Prügeln, die er beziehen würde. Mein Gott, habe ich Hunger.« Er biß ein gewaltiges Stück ab und ließ die Krümel herunterfallen.
»Komm mir damit nicht ins Bett!« sagte ich und schlüpfte unter die Decken. »Was hast du mit Hamish vor?«
Er steckte das letzte Stück Brot in den Mund und lächelte mich an. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde ihn morgen, kurz vor dem Abendessen, auf den Loch hinausrudern und ihn ins Wasser schmeißen. Bis er wieder an Land ist und sich abgetrocknet hat, ist das Abendessen vorbei.« Nachdem auch der Käse mit drei Bissen verschwunden war, leckte er sich die Finger ab und fügte finster hinzu: »Er soll ruhig merken, wie es ist, naß und hungrig ins Bett zu gehen.«
Hoffnungsvoll zog er die Schublade auf, in der ich manchmal Äpfel und andere Nahrungsmittel aufbewahrte. Aber heute war sie leer, und so schob er sie mit einem Seufzer wieder zu.
»Ich werde wohl bis zum Frühstück durchhalten«, meinte er wehmütig, zog sich aus und kroch zitternd zu mir unter die Decke. Obwohl Arme und Beine vom eisigen Wasser noch kalt waren, war der Rest seines Körpers herrlich warm.
»Mm, ist das schön, mit dir zu kuscheln«, murmelte er. »Du riechst heute anders; hast du Pflanzen ausgegraben?«
»Nein«, sagte ich überrascht. »Ich dachte, du wärst es, der so riecht.« Ein scharfer Kräutergeruch war uns in die Nase getrieben, nicht unangenehm, aber fremdartig.
»Ich rieche nach Fisch und nach nassem Pferd. Nein«, meinte er und schnüffelte an mir herum, »du bist es auch nicht. Aber es ist in der Nähe.«
Er stieg aus dem Bett und schlug die Decken zurück. Unter meinem Kissen kam es zum Vorschein.
»Was um Himmels willen …?« Ich hob es hoch und ließ es sofort wieder fallen. »Au! Es hat Dornen!«
Es war ein kleines Büschel Pflanzen, das mit einem schwarzen Band zusammengehalten wurde. Die Blätter waren verwelkt, aber der Geruch war noch immer intensiv. Mitten im Strauß stak die Distel, die mich in den Daumen gestochen hatte.
Ich lutschte an dem schmerzenden Finger und untersuchte den
seltsamen Strauß mit der anderen Hand. Jamie stand stocksteif da und starrte einige Augenblicke darauf. Dann packte er ihn plötzlich, ging zum offenen Fenster und warf ihn in die Nacht hinaus. Sorgsam strich er die Erdkrümel vom Leintuch in eine Hand, warf sie hinterher und schlug das Fenster zu.
»Es ist weg«, sagte er unnötigerweise und stieg wieder ins Bett. »Komm unter die Decke, Sassenach.«
»Was war es?« fragte ich und legte mich zu ihm.
»Vermutlich ein Streich - gemein, aber doch nur ein Streich.« Er stütze sich auf einen Ellbogen und blies die Kerze aus.
»Komm her, mo duinne , mir ist kalt.«
Trotz des böswilligen Streiches schlief ich gut. Gegen Morgen träumte ich von einer Wiese voller Schmetterlinge. Sie tanzten wie Herbstblätter um mich herum, landeten auf Kopf und Schultern, perlten wie Regen an mir herab, kitzelten mich mit ihren winzigen Füßchen und schlugen mit ihren samtigen Flügeln im Rhythmus meines eigenen Herzens.
Langsam tauchte ich an der Oberfläche der Wirklichkeit auf und entdeckte, daß die Schmetterlingsfüßchen auf meinem Bauch die Spitzen von Jamies weichem roten Haarschopf waren, und der Schmetterling, der sich zwischen meinen Schenkeln verfangen hatte, seine Zunge.
»Mmm«, sagte ich etwas später, »mir geht’s aber gut heute. Aber was ist mit dir?«
»Wenn du so weitermachst«, sagte er
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