Feueraugen II. Drei Städte
müsste. Ich liebe die Freiheit und brauche die Möglichkeit, eigene Ideen zu verwirklichen."
"... und unter der Regie eines kinematografischen Freigeistes, wie es unser Chef ist, kann er das!" schaltet sich jetzt X ein. "Er ist nicht mehr irgendwer, er ist der geniale Rodolphe Hiller, dessen Kunst einmal ebenso in die Geschichte des Films eingehen wird wie Zeramovs unvergleichliche Art, Drehbücher zu schreiben oder Cassius' Kameraführung und Cutter-Erfahrung."
"Eines Tages werden wir berühmt sein!" ereifert sich der Signore. "Der große James Jones Baldwin wird uns zu Ruhm führen und wir werden in seinen Filmen die Personen verkörpern. Seine Regie, die Kulissen des unnachahmlichen Rodolphe, Cassius' Kamera und Zeramovs Drehbücher im Verein mit unseren Talenten als Schauspieler ..."
In diesem Augenblick explodiert der General.
"Leute ... jetzt hört auf! Das hält ja kein normaler Mensch aus." Er reibt sich die Schläfen und rennt in engem Kreis vor den am Boden sitzenden Rebellen herum. "Ich verstehe kein Wort von dem, was ihr da sagt, und ich kann es nicht vertragen, wenn ich etwas nicht verstehe."
"Ach so!" Baldwin lächelt nachsichtig.
"Ja ... so! Wenn ihr euch schon über eure unverständlichen Probleme unterhalten müsst, dann gefälligst so leise, dass wir das nicht mit anhören müssen, ja? - Es macht mich wahnsinnig, wenn ich fortwährend Andeutungen nachrätseln kann, mit denen keiner von uns klarkommt. - Ist das verstanden? Ist das verstanden?"
Der General hat sich in einen Wutanfall hineingesteigert und seine letzten Worte so laut aus sich heraus gebrüllt, dass sofort drei Wachsoldaten erschienen sind, um ihn mit ein paar kräftigen Hieben zu beruhigen.
Um weitere Aufregung unter den Gefangenen sofort verhindern zu können, bleiben die drei Posten jetzt im Raum und nehmen an der Türe Aufstellung. Die Rebellen verhalten sich daraufhin still - die Baldwinschen ihrerseits kümmert das alles wenig.
"Tja, jetzt missen mir erst amal abwarten!" erkennt Dr. Glücklich. "Mir sind dazu verurteilt und kennen nichts tun."
"Leider!" Michel lehnt sich an Emma und starrt traurig auf die vollen Rundungen, die sich unter ihrem engen Pullover abzeichnen.
"Was für ein Mensch ist dieser Kanzler Proz eigentlich?" erkundigt sich Zeramov währenddessen bei Perplez, der ihm von den Rebellen am nächsten ist.
"Ich würde sagen, dass ... na ja, genaugenommen – ja, um genau zu sein: Er ist ein grausamer Mensch." erwidert der und beginnt nervös an seinem Bart zu zupfen.
"Proz ist ein Teufel!" flüstert ein anderer Rebell dem Drehbuchschreiber zu. "Mit der gleichen gelangweilten Miene lässt er einem Dutzend Gefangener den Kopf abhacken wie er sich ein gebratenes Stück Fasan in den Mund schiebt. In seiner Langeweile denkt er sich immer wieder neue Grausamkeiten aus, um sich und seine Gäste zu amüsieren. Diese Spielchen erheitern ihn dann so sehr, dass er manchmal in eine Art Blutrausch verfällt."
"Bevor er an die Macht gekommen ist ...," führt wieder ein anderer fort, "... hat er als Diplomat mit feindlichen Seefahrern zu tun gehabt. Seine Aufgabe war es, einen Friedens- und Handelsvertrag auszuhandeln. Zusammen mit dem General Nonzenz legte er einen Hinterhalt, nahm vierhundert Männer und eine beträchtliche Anzahl Frauen gefangen. Auf der Felsenburg an der Küste feierte er dann mit seinen Soldaten und eingeladenen Gästen ein blutiges Fest. Zwanzig Stunden lang bestand es einzig daraus, die Gefangenen auf immer wieder neue Weise hinzurichten."
"Und so einem Scheusal sind wir in die Hände gefallen! Herzlichen Glückwunsch, Herr Zeramov!" brummt der Krämer, der dem Schreiber über die Schulter in dessen Notizblock sieht.
"Ach ja ... es wird langsam brenzlig!" Zeramov stöhnt. Er sieht zum ersten Mal richtig verzweifelt aus. "Schon unser mitternächtliches Rendezvous mit Proz macht mir Sorgen. Wie wir rauskommen sollen, ist mir noch viel schleierhafter. Aber vielleicht bricht ein Gewitter los, ein Brand zerstört den Palast oder ein Erdbeben durchschüttelt ihn. Die Mauern öffnen sich und wir spazieren ins Freie. Wär' das nichts?" Dass auf seine Verzweiflung ein derartig blödsinniger Scherz folgen muss, bringt Ricci zur Raserei.
"Maledetto ... oh, ich könnte ihn manchmal! Dieser Verrückte, dieser Wahnsinnige, dieser ..."
"Sssscht! - Beruhigen s' eana doch, Herr Ricci!" Emma versucht zu beschwichtigen." 's werd scho alles wieder gut!"
"Das sagen sie!" knurrt Ricci.
"Auf jeden Fall müssen
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