Feuerflügel: Roman (German Edition)
getötet werden. Und in der Kolonie wurde oft vom Tod gesprochen. Jungtiere, die nicht kräftig genug waren, um zu überleben. Unvorsichtige Fledermäuse, die von Stinktieren, Waschbären oder Wildkatzen gefressen wurden. Und auch die Wanderung war gefährlich, jeder wusste das. Es würde jede Menge Fledermäuse geben, die es nicht schafften. Der Tod war überall, lauerte praktisch hinter jedem Blatt und jedem Kieselstein! Aber nicht einmal er hatte sich wirklich vorgestellt, wie es im Leben nach dem Tod zugehen würde.
„Unsere Mütter haben uns erzählt, Nocturna würde sich um uns kümmern, wenn wir sterben“, sagte Greif.
„Aber irgendwo, wo es schön ist“, ergänzte Luna. „Man ist immer davon ausgegangen, dass es an einem schönen Ort sein würde. Komm schon, Greifchen, mal es für mich aus. Du warst immer gut darin, dir Dinge vorzustellen. Keiner kann besser mit Worten umgehen als du.“
Worte. Für einen Augenblick war er ratlos. Aber Luna zu Gefallen schloss er die Augen, versuchte, sich zu konzentrieren. „Es müsste ein Wald sein“, sagte Greif und versuchte dabei, zuversichtlich zu klingen.
Luna knurrte zufrieden: ein guter Anfang. Die Augen hatte sie geschlossen, die Stirn gerunzelt, und das erinnerte ihn daran, wie sie ausgesehen hatte, als man sie zurück in den Baumhort brachte. Ihre Brandwunden sahen jetzt irgendwie schlimmer aus, als wären sie schon heiß anzufassen. Sie hatte große Schmerzen, konnte er erkennen, und sie versuchte angestrengt, sich von ihnen zu befreien. Worte waren etwas, was er ihr geben konnte.
„Immer Sommer, niemals Winter“, fuhr er fort. „Massenhaft Insekten, frisches Wasser, keine Vierfüßler oder Vögel, die uns belästigen können. Keine Raupen des Großen Schwammspinners, die Blätter fressen“, fügte er noch hinzu, als er sich an seinen geliebten Zuckerahorn erinnerte.
Luna gluckste leise. „Ich mag aber die anderen Tiere zum Anschauen“, sagte sie. „Es macht alles interessanter.“
„Okay, dann sollte es also Tiere geben, du hast Recht. Aber sie brauchen dich nicht mehr zu fressen. Vielleicht brauchen sie überhaupt nicht zu fressen.“
Er zögerte.
Das klang ein bisschen zu sehr wie hier unten. Keine Notwendigkeit zu fressen. Nichts, was dich jagt. Das verwirrte ihn einen Augenblick. Dies konnte doch nicht eine Art Paradies sein, oder? Nein, der Gedanke war zu unheimlich.
„Eine Sonne“, machte er mit mehr Überzeugungskraft weiter, als er sich für sein Thema erwärmte. Das war jetzt nicht wirklich so verschieden von seinen üblichen Im-Schlimmsten-Falle-Vorstellungen – nur in eine erfreulichere Richtung gedacht. „Es müsste Licht geben und vielleicht eine Menge Monde für die Nacht, in verschiedenen Formen, sodass man zum Nachthimmel hochblicken und gleichzeitig runde und sichelförmige und sternförmige Monde sehen könnte.“
„Das gefällt mir“, murmelte Luna. „Was noch?“
„Alle sind in der Nähe“, sagte Greif. „Alle, die du liebst, alle, die dich lieben.“
„Das ist gut. Was ist, wenn sie noch am Leben sind?“ „Vielleicht spielt das keine Rolle.“
„Du kannst nicht gleichzeitig an beiden Orten sein“, wandte sie vernünftig ein.
„Nun, wenn du einmal durch den BAUM gegangen bist, vielleicht ist die Zeit dann anders und vergeht derart schnell, dass es so ist, als ob du überhaupt nicht warten musst.“
„Hmmmm.“
„Hör zu, ich tue nur mein Bestes“, sagte Greif.
„Nein, es ist wirklich gut“, meinte sie. „Ich kann es jetzt in meinem Inneren sehen. Auch Freunde. Skye und Rowan. Und Falstaff.“
„Gut, okay, wenn du wirklich willst, dass diese kleinen Fellbüschel herumhängen“, sagte Greif. „Ich habe sie, ehrlich gesagt, immer ein bisschen irritierend gefunden.“
„Vielleicht sind sie interessanter, wenn sie tot sind“, schlug Luna vor.
„Wahrscheinlich. Ich mag tote Fledermäuse. Einige meiner besten Freunde sind tot, wie du weißt.“
Sie kicherte so, wie sie es immer getan hatte, und Greif wurde das Herz weit.
„Und du wirst dort auch bei mir sein“, behauptete sie fest.
Greif sagte nichts. Es gefiel ihm, dass sie ihn auszeichnete, wenn er ihre Zuneigung auch schrecklich unverdient fand.
„Und wir können zusammen etwas unternehmen“, fuhr sie fort. „Wir können überall hin, große Reisen durch diese große neue Welt machen.“
„Nun, ich bin eigentlich eher eine Bleib-zu-Hause-Art von Fledermaus“, sagte er, „aber, sicher, warum auch nicht. Wenn es dich
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