Feuerflut
schwarzen Haarschopf und seinem fein gezeichneten Aristokratengesicht mit dem dunklen Bartschatten konnte er als attraktive Erscheinung durchgehen. Über einen Mangel an weiblicher Zuwendung hatte er jedenfalls nicht zu klagen.
Auch die starken Arme, die ihm aufs Helipad herabgeholfen hatten, gehörten einer Vertreterin des schönen Geschlechts – wenngleich in diesem Fall kaum jemand von »schön« gesprochen hätte. »Furcht einflößend« traf es schon eher. Er gestattete sich den Anflug eines Lächelns. Er würde ihr seinen Gedankengang später mitteilen.
»Merci, Ashanda«, sagte er, als sie seinen Arm losließ.
Einer der Männer brachte ihm seinen Gehstock. Er nahm ihn entgegen und stützte sich darauf, während die restlichen Mitglieder seines Teams ausstiegen.
Ashanda stand reglos neben ihm. Sie war über eins achtzig groß und so schwarz wie die Nacht. Sie war seine Krankenschwester und Leibwächterin und stand ihm so nahe wie nur irgendein Familienmitglied. Sein Vater hatte sie als Kind in Tunesien auf der Straße aufgelesen. Sie war stumm, denn man hatte ihr die Zunge herausgeschnitten; sie war vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden – bis sein Vater sie gerettet hatte. Aus geschäftlichen Gründen in der Stadt, hatte er den Mann erstochen, der ihm das junge Mädchen angeboten hatte. Anschließend brachte er sie heimlich auf das Familienschloss vor den Toren der Festungsstadt Carcassonne, wo er sie mit einem Jungen im Rollstuhl bekannt machte. Fortan war sie die Lieblingsgespielin und Vertraute des zerbrechlichen Jungen.
Ein Schrei drang an Rafes Ohren. Er blickte über die wellige Rasenfläche zu dem dunklen Landhaus hinüber, auf dessen Grundstück sie gelandet waren. Er kannte den Besitzer nicht, doch das Haus passte ihm in den Plan. Es lag auf dem Hang des Squaw Peak, von dem aus man auf die Stadt Provo blicken konnte. Er hatte diese Stelle aufgrund ihrer Nähe zur Brigham Young University ausgesucht.
Ein gedämpfter Schuss war zu hören, und das Geschrei brach unvermittelt ab.
Es würden keine losen Enden zurückbleiben.
Sein Vollstrecker, ein deutscher Söldner und ehemaliger KSK-Angehöriger namens Bernd, trat vor ihn hin. Er war vollständig schwarz gekleidet, groß gewachsen, blond und blauäugig, ein Arier, wie er im Buche stand, und ein Spiegelbild von Rafes dunklerem Ich.
»Sir, wir sind einsatzbereit. Wir haben die Zielpersonen in einem Campusgebäude isoliert, sämtliche Zugangspunkte stehen unter Beobachtung. Wir können sie jederzeit festnehmen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Rafe. Er sprach äußerst ungern Englisch, doch unter Söldnern war dies die Umgangssprache, was in Anbetracht seiner Rohheit und seines Mangels an Feingefühl nur angemessen schien. »Aber wir brauchen sie lebend. Zumindest müssen sie so lange am Leben bleiben, bis wir die Goldtafeln in unseren Besitz gebracht haben. Haben Sie das verstanden?«
»Ja, Sir.«
Rafe deutete mit dem Stock in Richtung Campus. Er dachte an das Mädchen und den alten Mann, die zu Pferd geflohen waren. Sein Team war überlistet worden, doch das war nur ein vorübergehender Rückschlag. Er hatte die Videoaufnahmen der Verfolgungsjagd mit einer Gesichtserkennungssoftware analysiert und den Indianer identifiziert. Bald darauf hatten sie herausgefunden, dass der Historiker sich in den Schoß der Universität begeben hatte, wo er sich wohl am sichersten fühlte. Einmal waren die beiden ihm entkommen, doch das würde sich nicht wiederholen.
»Zugriff«, befahl er und humpelte zum Haus. »Bringen Sie sie her. Und leisten Sie sich nicht noch einen Fehler.«
22:40
»Was meinen Sie mit Indianerfluch?« , fragte Painter.
Professor Kanosh hob die Hand. »Hören Sie mich erst an. Ich weiß, wie sich das anhört. Aber wir können die Mythologie nicht außer Acht lassen, wenn es um die Höhle geht. Seit Urzeiten behaupten die Stammesältesten der Ute, deren Schamanenwissen von einer Generation an die nächste überliefert wird, jeder, der die heilige Begräbniskammer betrete, werde Unheil über die Welt bringen. Ich würde sagen, die Prognose hat sich als durchaus zutreffend erwiesen.«
Kowalski grunzte abfällig.
Der Professor zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, diese alten Geschichten enthalten einen wahren Kern. Das ist die sprichwörtliche Warnung davor, etwas aus der Höhle zu entwenden. Ich nehme an, darin wurde jahrhundertelang etwas Instabiles versteckt, und als wir es ans Tageslicht bringen wollten, ist es
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