Feuerfrau
sie da war, weil Montereale Celina damals noch keine eigene Feuerwehr hatte und sie aus der Nachbargemeinde kam.
Der Wolkenbruch trug dazu bei, das Feuer zu löschen. Der Schaden blieb begrenzt. Durch die Umstände blieben wir noch eine Zeitlang in Casa Monte. Ich war an den Füßen verwundet, und Carmilla half Nonna bei diesem und jenem. Aber Fabrizio und Maria waren dabei gewesen, als ich Nonna unversehrt durch die Flammen führte. Maria hatte manchmal gesehen, wie ich mit Streichhölzern spielte. Sie erzählte die Geschichte im Dorf herum. Die Ortszeitung schickte einen Journalisten. Er fand mich allein im Hof, als ich mit dem Kater spielte, und stellte Fragen. Ich antwortete ganz unbefangen, daß ich den Flammen befohlen hätte, uns durchzulassen. Der Journalist machte Bilder von mir und dem Kater. Er sprach mit Carmilla, die in Tränen ausbrach und über die ganze Sache nicht reden wollte. Als Nonna von dem Besuch des Journalisten erfuhr, wurde sie unruhig. Sie befürchtete, daß über mich geklatscht würde, und rief bei der Zeitung an. Aber der Bericht war schon im Druck. Der Titel ›Das Feuerkind‹ war ganz auf Sensation aus. Die Leute kamen von auswärts, um mich anzustarren und dumme Fragen zu stellen. Im Dorf wurde ich plötzlich schief angesehen. Die Kinder warfen Steine nach mir und riefen:
›Strega!‹ – Hexe. In dieser Gegend wird alles, was mit Feuer zu tun hat, schnell mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Don Mario, der Priester, meldete sich bei Nonna an und fragte nach Einzelheiten. Nonna zeigte ihm die Stelle, wo der Blitz eingeschlagen war. Don Mario bekreuzigte sich: Ich solle mich Gott zuwenden, und nicht Luzifer. Worauf Nonna böse wurde und ihn an die Luft setzte. Am Sonntag, in der Messe, sprach Don Mario über die bösen Mächte des Teufels, die ›wie der Blitz auf die Erde niedergehen‹ und forderte die Gläubigen auf, für das Seelenheil eines verlorenen Kindes zu beten. Jeder wußte, wer gemeint war. Als mein Vater davon erfuhr, veröffentlichte er in seiner Zeitschrift einen sarkastischen Bericht über Aberglauben, Ignoranz und Fanatismus. Inzwischen waren wir wieder in Milano, aber die Sensationspresse hatte eine Beute gefunden.
Journalisten aus allen Teilen Italiens wollten Interviews, ich wurde auf dem Schulweg mit dem Teleobjektiv belauert. Unbekannte machten mir Geschenke, mit der Bitte, ihre Gebrechen zu heilen, den Liebhaber zurückzuholen oder eine Erbschaft zu ergattern. Es kam so weit, daß ich nicht mehr aus dem Haus konnte. Meine Eltern wurden nicht von der Krise verschont. Carmilla wurde nahezu hysterisch, und mein Vater bekam Drohbriefe. Schließlich zerstritten sie sich; ihre Ehe hing schon lange am seidenen Faden. Carmilla wollte nach Paris zurück. Auch mein Vater hielt es für das Beste, wenn ich Italien verließ. In Paris konnte ich wieder ein normales Leben führen. Sie trennten sich also, und zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden.«
Manuel saß auf der Bettkante. Seine schönen dunklen Augen waren auf mich gerichtet.
»War es eine schwere Zeit für dich?«
Ich schob das Kissen hinter mir zusammen.
»Ich weiß es nicht mehr. Es ist schon so lange her. Kinder erleben solche Dinge wie hinter einem Schleier. Meine Eltern verstanden sich nicht mehr, soviel war mir klar. Und was das andere betrifft… nun, mein Vater hatte mir alle Berichte vorenthalten, so daß mir die ganze Aufregung ein Rätsel war. Daß ich nicht mehr nach Montereale Celina konnte, machte mir mehr Kummer. Nonna besuchte uns ein paarmal in Milano. Als Carmilla mit mir nach Paris zog, sahen wir uns nur noch selten. Erst später, als sie mir die Zeitungsausschnitte zeigte, wurde mir bewußt, was da vor sich gegangen war. Aber da machte es uns nichts mehr aus. Nonna und ich tranken zusammen Champagner und fanden das Ganze sehr witzig, vor allem die Sache mit Don Mario. Meine Fähigkeit, mit dem Feuer umzugehen, ist mir einfach angeboren. Religiöse oder moralische Wertungen haben nichts damit zu tun.«
»Natürlich nicht.«
»Ich pfeife auf Symbole! Aber selbst wenn ich viel Scharfsinn und Phantasie aufwende, finde ich nicht heraus, was in solchen Momenten in mir vorgeht.«
»Auch heute nicht?«
»Nein. Ich weiß nur, es hängt mit Nonna zusammen. Mit unserer Liebe zueinander. Und wenn Nonna in ihrem Grab liegt, heißt das für mich nicht viel. Ich besuche sie manchmal und bringe ihr Blumen mit, eine reine Formsache. Ihr Geist ist nicht auf dem Friedhof, Manuel. Da sind nur ihre
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