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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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vor, morgens keine Wirtschaftsnachrichten mehr zu lesen – es war einfach nicht gesund, den Tag mit so depressiven Meldungen zu beginnen. Es reichte schon, Bella sehen zu müssen.
    »Die Kaffeemaschine ist kaputt.« Die Sekretärin lehnte im Türrahmen und schien eine ganze Packung Kaugummi im Mund zu haben. »Zerbrochen.«
    »Zerbrochen?« Dóra wusste nicht, warum sie überhaupt nachfragte. Sie hatte im Flur lautes Scheppern gehört, aber keine Lust gehabt, nachzuschauen. Bellas anschließendes Fluchen und Zetern klang ihr immer noch in den Ohren. »Ist sie kaputtgegangen und dann zerbrochen oder erst zerbrochen und dann kaputtgegangen?«
    »Sie ist kaputt, weil sie zerbrochen ist.« Bellas Gesichtsausdruck zeigte keine Spur von Belustigung. »Ihr müsst sofort eine neue kaufen. Man kann den Tag hier unmöglich ohne Kaffee überstehen.«
    »Gibt’s keinen Instantkaffee? Wir haben doch irgendwo einen Kessel, ich habe jetzt keine Zeit, eine neue Kaffeemaschine zu kaufen.«
    »Soll das ein Witz sein? So was trinken doch nur Weicheier. Sehe ich etwa aus wie ein Weichei?«
    Das musste Dóra definitiv verneinen. Die Sekretärin hatte kürzlich umfassende Farbexperimente durchgeführt und sich die Haare neongrün gefärbt. Das hatte allerdings zur Folge, dass ihre Haare extrem trocken waren und in alle Richtungen abstanden, was die Aufmerksamkeit noch mehr auf ihren verunstalteten Kopf lenkte. »Das hättest du dir besser überlegt, bevor du die Kaffeemaschine zerbrochen hast. Wie hast du das eigentlich fertiggebracht?« Die Maschine stand normalerweise felsenfest auf dem Tisch beim Empfang. Vielleicht war Bella bei irgendwelchen Gymnastikübungen dagegen gestoßen, das wäre ihr durchaus zuzutrauen.
    »Ich hab das Telefon dagegen geworfen,« sagte Bella ohne mit der Wimper zu zucken. »Der Klingelton hat mich so genervt.«
    »Dann kannst du dich auf den pfeifenden Kessel freuen, wenn du dir einen Instantkaffee machst. Am besten stellst du ihn an dieselbe Stelle, der verkraftet deine Angriffe bestimmt besser als die Kaffeemaschine.« Dóra drehte sich zu ihrem Computer. »Und jetzt lass mich bitte in Ruhe, ich bin beschäftigt. Es mag für dich zwar unglaublich klingen, aber manche Leute arbeiten hier auch.« Bella hatte zum Glück nichts zur Hand, das sie nach ihr werfen konnte. Trotzdem war Vorsicht angebracht, und Dóra beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Bella stand noch einen Moment entrüstet im Türrahmen, machte dann auf dem Absatz kehrt und verschwand. Dóra musste auf der Hut sein, wenn sie nachher die Kanzlei verließ. Sveinn, der Kameramann, hatte versprochen, sie gleich zu empfangen. Dóra durfte zwar kein Material von ihm mitnehmen, sich aber die Filme aus dem Heim anschauen. Falls ihr dabei etwas Interessantes auffiel, war er sogar bereit, es ihr auszuhändigen. Sveinn hatte ihr lang und breit erklärt, dass es sich um Rohmaterial handele, er hätte noch nicht die Zeit gehabt, es zu bearbeiten, und es sei unwahrscheinlich, dass überhaupt noch mal ein Film daraus werden würde. Die Finanzierung des Projekts sei ausgelaufen. Dóra wollte Matthias mitnehmen, denn es hatte sich oft genug gezeigt, dass ihnen unterschiedliche Dinge auffielen. Außerdem würde es ihm guttun, ihre Eltern für eine Weile los zu sein. Dóra hoffte nur, dass er schon Kaffee getrunken hatte, bevor er sich auf den Weg in die Kanzlei machte.
     
    »Kommt rein, ich hab schon alles rausgesucht.« Der Mann empfing sie in einem alten Jogginganzug, unrasiert und verschlafen. Dóra hatte zwar mit einem Studio gerechnet, hätte sich aber denken können, dass das unwahrscheinlich war, da sich seine Wohnung in einem großen Wohnblock in Breiðholt befand. Am Ende des Raums waren alle normalen Möbel zusammengeschoben worden, um Platz für drei Bildschirme zu schaffen, die nebeneinander auf dem Esszimmertisch standen. Darauf befanden sich auch ein kleiner Computer und ein Kopfhörer. Vor dem Tisch stand ein Schreibtischstuhl mit Rollen, leicht zur Seite geneigt, so als sei er betrunken. »Wie ihr seht, arbeite ich zu Hause, bitte entschuldigt die Unordnung. Wenn es nicht so kurzfristig gewesen wäre, hätte ich vorher aufgeräumt.«
    Dóra beeilte sich, freundlich zu entgegnen, das bisschen Unordnung würde sie nicht stören, bevor der Mann Matthias entsetztes Gesicht sehen konnte. Matthias konnte Schmutz und Unordnung nicht ausstehen, wobei sein Putzwahn sich etwas gelegt hatte, seit er mit zwei Jugendlichen und einem Kleinkind

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