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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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mich immer so angestarrt.« Er beugte sich vertraulich zu Dóra. »Ich glaube, sie heißt Ragga, aber ich weiß nicht genau. Sie hat nie bei irgendwas mitgemacht.«
    »Ragga?« Das konnte die Abkürzung für Ragnhildur oder Ragnheiður oder weitere Namen sein. »Weißt du, wie sie mit Nachnamen heißt?«
    »Nein, ihre Eltern sind ins Ausland gezogen und nie zu Besuch gekommen. Vielleicht hatte sie keinen Nachnamen und heißt einfach nur Ragga.«
    Dóra lächelte. »Ja, vielleicht, aber weil du so brav bist, stelle ich dir noch eine Frage: Wie war dein Anwalt Ari zu dir? Ich weiß, dass du ihn nicht nett fandest, aber hat er dich schlecht behandelt? War er manchmal genervt oder wütend?«
    »Er war komisch, nie fröhlich und wollte immer nur über langweilige Sachen reden. Ich fand ihn langweilig.«
    »Und böse? Fandest du ihn böse?«
    »Ja, er war total böse. Er tritt nach Tieren.« Jakob wich ihrem Blick aus, und Dóra überlegte, ob er das vielleicht nur sagte, um ihr zu gefallen. Was immer man über Ari und die unmögliche Situation, in die er sich gebracht hatte, sagen mochte, er lief bestimmt nicht durch die Gegend und trat in Anwesenheit seiner Klienten nach Tieren.
    »Lass uns nur darüber reden, was wir wissen und gesehen haben, Jakob, nicht darüber, was wir glauben, okay?« Jakob nickte beschämt. »Ich weiß, dass du ihn in den Arm gebissen hast, das stimmt doch, oder?«
    »Er ist böse.«
    »Und was hat er gemacht, Jakob? Es wäre sehr gut, wenn du mir das erzählen würdest.«
    Jakob streckte seine Zunge noch weiter heraus und leckte sich über die Lippen. »Er war böse und hat gesagt, ich lüge die Polizei an. Er hat gesagt, er lässt mich ins Gefängnis sperren, wenn ich nicht sage, dass ich das Feuer angezündet habe, und dann sehe ich meine Mutter nie wieder, nie wieder!«
    Jakobs Wangen hatten sich gerötet, und er war ganz unruhig. Dóra wollte ihn nicht noch mehr aufregen, zumal klar war, was geschehen war. Dieser Schuft hatte Jakob die Daumenschraube angesetzt und versucht, ein Geständnis aus ihm herauszupressen. Dieses Verhalten war absolut untolerierbar, würde ihm aber nicht nachzuweisen sein. Dóra zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass Jakob die Wahrheit sagte. Ihr Verlangen, ihn freizubekommen, wurde immer stärker. Gegen ihn sprach natürlich, dass er gestanden, seine Aussage wieder zurückgenommen, wieder gestanden und viele unterschiedliche Versionen erzählt hatte. Vielleicht war das zum Teil auch auf Aris Verhalten zurückzuführen. Warum hatte der arme Jakob so ein Pech mit seinem Anwalt gehabt? »Lass uns nicht weiter über Ari reden, lass uns lieber über Friðleifur reden, erinnerst du dich an den? Er hat im Heim gearbeitet, meistens nachts und frühmorgens.« Jakob nickte wieder, diesmal weniger eifrig. »War er freundlich?«
    »Ja, er war nett und lustig.« Jakob grinste.
    »Hat er bei der Arbeit manchmal Besuch bekommen? Von seinen Freunden?«
    »Manchmal.« Jakob presste wieder seine dicken Lippen aufeinander.
    »Wie waren die? Haben die sich manchmal mit Friðleifur gestritten?« Jakob schüttelte verwundert den Kopf. »Sie waren also ganz friedlich, haben nicht laut oder wütend geredet oder so?«
    »Nein.« Jakob war verwirrt und wich Dóras Blick aus. Dann trat er ganz nah an sie heran und fragte: »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
    »Darin bin ich supergut.«
    Jakob beugte sich zu ihr und flüsterte: »Friðleifurs Freunde sind zum Atmen gekommen. Er hat es mir erzählt und gesagt, ich soll es niemandem weitererzählen. Niemals. Du darfst es auch niemandem erzählen!«
    »Nein, das tue ich nicht, Jakob. Aber manchmal sind Geheimnisse keine Geheimnisse mehr, wenn derjenige, der sie erzählt hat, tot ist. Nicht immer, aber manchmal.«
    Diese neue Regel über etwas, das ihm bisher vollkommen eingeleuchtet hatte, beunruhigte Jakob. »Du hast versprochen, es niemandem zu erzählen. Du hast es versprochen!« Er regte sich mit jedem Wort mehr auf, und Dóra musste an die Geschichten über die Aggressionen dieses schmächtigen, aber starken Mannes denken.
    »Das tue ich auch nicht, versprochen.« Sie lächelte ihm beruhigend zu. Dann flüsterte sie unter Einsatz all ihrer schauspielerischen Fähigkeiten: »Haben sie Rauch geatmet? Aus einer Pfeife?« Vielleicht hatte Jakob Friðleifur und seine Freunde beim Kiffen ertappt, und der Nachtwächter hatte versucht, ihm irgendeinen Unsinn über Atmen einzureden.
    Jakobs Wut fiel von ihm ab, und er machte ein

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