Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Schrank.“
„Ja, und der Weg zum Hungersaal ist so weit, dass man eine Viertelstunde eher aufstehen muss.“
„Den schönen Spiegel werde ich auch vermissen – stattdessen muss ich mir wieder den Handspiegel an die Wand klemmen.“
„Dafür kann ich wieder aufs Dach klettern und in den Sternenhimmel schauen“, sagte Thuna.
„Kunibert bekommt wieder seine Nische in der Wand.“
„Scarlett und Berry schlafen wieder bei uns. Das wird lustig!“
„Ja“, meinte Maria. „Vielleicht wird alles wieder so, wie es vorher war.“
„Genau“, murmelte Thuna. „Oder noch besser.“
Das sagte sie im Halbschlaf und dann war sie weg. Maria hingegen lag noch lange wach. Drei Tage noch, dann würde Gerald für vier Wochen in seine Heimatwelt gehen. Die Schule würde wieder anfangen, Hanns und Haul würden abreisen. Aber rein gar nichts würde wie vorher werden. Das konnte es gar nicht.
Maria würde schon froh sein, wenn die vier Wochen vorbei waren, und Gerald wieder in der Nähe war. Mehr wollte sie ja gar nicht. Er sollte nur da sein und niemand sollte merken, wie wichtig das für sie war. Es hatte sie wirklich verfolgt, dass Hanns behauptet hatte, Gerald würde ihr den Kopf verdrehen. Sie hatte in der Angst gelebt, dass womöglich alle Leute darüber tuschelten, dass sie in diesen Jungen hirnlos und hilflos und ohne jede Aussicht auf Heilung verliebt war, und deswegen hatte sie Hanns danach gefragt.
„Sehe ich wirklich so aus, als ob mir Gerald den Kopf verdrehen könnte?“
„Nein“, hatte Hanns geantwortet.
Insofern hatte Maria Gerald die Wahrheit gesagt. Doch das war leider nicht alles gewesen, was Hanns gesagt hatte.
„Nein, man sieht es dir nicht an.“
Das waren seine genauen Worte gewesen.
„Was meinst du damit?“, hatte sie gefragt.
„Dass d-du einen Riesenaufwand betreibst, um dir irgendetwas nicht ansehen zu lassen. Das muss sehr anstrengend sein!“
Maria war über diese Aussage erschrocken, doch sie tat so, als müsse sie Hanns’ Worte überdenken und mit ihren eigenen Erfahrungen in Einklang bringen.
„Ja, vielleicht hast du recht“, sagte sie. „Ich schotte mich ab. Ich glaube, es liegt daran, dass ich mich schützen will. Es ist nämlich beängstigend, wenn ein Ort, der bisher nur in der eigenen Vorstellung existiert hat, plötzlich zu einem realen Ort wird, den wildfremde Menschen betreten können. Wenn es auf einmal Türen gibt, durch die sie hereinkommen oder mich verlassen. Am schlimmsten ist es, wenn sie meinen, sie müssten sich gegenseitig umbringen. Deswegen habe ich mir einen Ort geschaffen, an dem ich mich sicher fühle. Sonst werde ich verrückt. Einen Ort, an dem mich niemand sieht und niemand findet.“
„Gar niemand?“
„Niemand, den ich nicht eingeladen habe.“
„Das kann ich g-gut verstehen.“
Das war das Gespräch gewesen, das sie mit Hanns geführt hatte. Sie hatte auch nicht so richtig gelogen, sondern ihm nur etwas Wesentliches vorenthalten. Nämlich dass Gerald an dem Ort aufgetaucht war, an dem niemand sie hatte finden sollen.
Das Komische war, dass es sich so anfühlte, als hätte sie auf diesen Gast gewartet. Als hätte er kommen müssen, weil er ihr Schicksal war. Dabei hatte er sich nur verlaufen und sie im Vorübergehen erobert, ohne Absicht. Es war ein Irrtum, der sich nicht rückgängig machen ließ. Sie kam damit zurecht. Wenn er es bloß nicht bemerkte. Denn wenn er es merken und dann aufhören würde, nett zu ihr zu sein und ihre Gesellschaft zu schätzen, wenn er sie meiden würde und sie nicht mehr zum Lachen bringen würde, dann würde sie nie wieder glücklich sein.
Kapitel 32: Unsterblich
Mungo Bartok reiste noch in derselben Nacht mit Trischa nach Tolois zurück, ließ aber dankenswerterweise sein Personal da, damit sie aufräumten und halfen, die Festung wieder auf den Schulbetrieb vorzubereiten. Am nächsten Tag waren die Zeitungen tapeziert mit Fotos von Mungo Bartok und Trischa Mohikan, seiner geliebten Nichte. Es gab auch noch eine Menge anderer Fotos, vor allem im Schaukasten in Gürkel, den sich die Freundinnen zwei Tage später genau ansahen.
Maria und Thuna durften nämlich wieder frei herumlaufen – sogar bis nach Gürkel – so hatte es ihnen der großzügige Grohann gewährt. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie immer in Scarletts und Lisandras Nähe blieben. Eine Einschränkung, mit der sie leben konnten. Oder hätten leben können, wenn Lisandra nicht ständig Witze darüber gemacht
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