Feuerscherben
wie ich nun einmal war, dachte ich, ihr wäret froh, dass ich nicht kommen würde. Das enthob euch der Notwendigkeit, die Feiertage gemeinsam zu verbringen.«
Volltreffer, dachte Dianna und beobachtete, wie Andrews Wangen dunkelrot wurden. Da Teenager und Eltern sich meistens missverstanden, hatte sie richtig getippt. Andrew und Evelyn hatten unter diesem Zustand sehr gelitten. Das war unübersehbar.
Andrew räusperte sich verlegen. »Nun, das ist alles schon lange her. Claire erzählte damals, sie wollte nach Acapulco fliegen, um sich dort mit einem Künstler zu treffen.«
»Fernando Velasquez«, fügte Dianna hinzu. Der Name des weltbekannten Glasdesigners tauchte in zahlreichen Berichten über Claires Verschwinden auf. Hal hatte ihn mehrmals erwähnt.
»Velasquez? Ja, der Name kommt mir bekannt vor. Ich bin sicher, dass Claire ihn genannt hat.« Andrew war zwar seit fünfzehn Jahren offiziell Vorstandsvorsitzender von Campbell Crystal, doch sein Interesse an Glasdesign war gering. Offensichtlich wusste er nicht, dass Velasquez als einer der berühmtesten lebenden Künstler Mexikos galt. Er schien hoch erfreut zu sein, dass Dianna den Namen sofort genannt hatte, und sah Ben Maxwell zuversichtlich an. »Sehen Sie? Woher sollte sie diese Einzelheiten wissen, wenn sie nicht Claire ist?«
»Ganz einfach«, antwortete Ben. »Hal Doherty hat sie ihr erzählt.«
Ein Hauch von Enttäuschung überzog Andrews Gesicht. »Ja, damit könnten Sie Recht haben.« Obwohl er seinem Mitarbeiter in diesem Punkt zustimmte, klang ein leichter Zweifel durch.
»Hal weiß eine Menge über Claires Vergangenheit, nicht wahr?«
»Eine ganze Menge sogar«, versicherte ihm Ben. »Vergessen Sie nicht, dass er während der letzten sechs Jahre alle angeblichen Claire Campbells befragt hat. Er dürfte sämtliche beweiskräftigen Tatsachen über Ihre Tochter kennen. Hal hat alle Akten gelesen und die Berichte der Privatdetektive durchgesehen. Das ist einer der Gründe, weshalb mich ein Gespräch über Claires Vergangenheit nicht sonderlich interessiert. Offensichtlich hat Hal Miss Mason ausgezeichnet vorbereitet. Sie würde alle Informationen brav herunterbeten.«
Dianna sah erstaunt auf. »Was wollen Sie dann von mir, Mr. Maxwell, wenn Sie an meiner Version der Vergangenheit nicht interessiert sind? Sie haben doch selber die Sprache auf die Dokumente gebracht.«
»Richtig. Aber ich mochte einige Papiere aus der Zeit unmittelbar nach Claires Verschwinden sehen. Über die wir noch nicht allzu viel von ihr wissen.«
Ganz schon schlau, dachte Dianna. Das war eine interessante Variante der üblichen Befragungstechniken. Aber nicht schlau genug für einen Mann mit Bens unübersehbarer Intelligenz. Schließlich lebten sie in den neunziger Jahren, an der Schwelle des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Die Forschung hatte Mittel und Wege für alle nur denkbaren Aufgaben entwickelt, selbst für die Ermittlung verschollener Erben.
Weshalb stellte Ben ihr Fragen, die niemals zu dem endgültigen Beweis führen würden, dass sie Claire Campbell war – oder nicht. Weshalb kürzte er das Verfahren nicht einfach ab und verlangte einen DNA-Test von ihr? Selbst die Familiengerichte erkannten die Tests inzwischen als neunundneunzigprozentigen Beweis für eine Vaterschaft an. Oder für eine Mutterschaft in den seltenen Fällen, wo es Zweifel darüber gab.
Diese Frage beschäftige Dianna seit Wochen. Hal betrachtete es als unwahrscheinlichen Glücksfall, dass keine der bisherigen Bewerberinnen um die Campbell-Millionen zu einem Bluttest ins nächste Labor geschickt worden war. Er hoffte, dass sie ebenso viel Glück haben würde. Doch Dianna hatte es aufgegeben, an Glücksfälle zu glauben, seit sie gemerkt hatte, dass es keinen Klapperstorch gab und der Weihnachtsmann seine Geschenke im Kaufhaus besorgte.
Da Ben beim besten Willen nicht wie ein Mann wirkte, der seine Zeit mit der Befragung angeblicher Claire Campbells verschwendete, wenn er die gesicherte Antwort mit einem wissenschaftlichen Test bekommen konnte, musste es gute Gründe für sein Verhalten geben. Und die beruhten wahrscheinlich auf den Wünschen von Andrew und Evelyn Camp bell.
Hatte sich das Ehepaar geweigert, sich einem DNA-Test zu unterziehen? Das musste sie unbedingt herausbekommen.
Inzwischen warteten alle auf eine Antwort von ihr. »Ich habe keine Dokumente aus der Zeit unmittelbar nach dem Brand«, sagte Dianna und versuchte vergeblich, unbekümmert zu sprechen. Dies war ein
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