Feuerschwingen
Todesstrafe brauchte man mit ihr gar nicht erst zu diskutieren.
Vielleicht hatte diese profunde Abneigung gegen Willkür und Ungerechtigkeit dazu beigetragen, dass sie so gereizt auf Lucians Geschenk reagiert hatte. Unter anderen Umständen, das gestand sie sich nun ein, hätte man es als Liebeserklärung verstehen können.
Mila griff auf der Suche nach dem Amulett ins Leere, und auch eine Untersuchung der näheren Umgebung blieb ergebnislos. So weit hatte sie den kostbaren Schmuck doch nicht geworfen! Werde ich Lucian jemals wiedersehen?
Bevor sie noch tiefer im Selbstmitleid versinken konnte, erregte ein leises Rauschen ihre Aufmerksamkeit. Nervös kniff sie die Augen zusammen und versuchte, in der Dunkelheit, die Lucian ihr hinterlassen hatte, etwas zu erkennen.
»Liebelein!« Sanftes Licht begleitete den Engel, der nach eleganter Landung die schwanenweißen Flügel hinter seinem Rücken zusammenfaltete. Mit ausgestreckten Armen eilte er auf sie zu. »Du hast dich also doch mit ihm eingelassen, du böses Mädchen!«
Er umarmte sie, und bei der ersten Berührung wusste Mila, dass sie nicht halluzinierte. Peter war ein Engel, und es fühlte sich keineswegs so an, als wäre er erst seit Kurzem bei der Truppe .
»Peter! Das glaube ich jetzt nicht. Du bist mein Schutzengel?« Am liebsten hätte sie ihn geschüttelt. Doch es war ja nicht seine Schuld, dass sie so lange blind für ihre magische Umgebung gewesen war. »Dann sind wir uns nicht zufällig begegnet?«
»Ja und nein. Ich wollte euch kennenlernen, weil ich viel Gutes über eure Arbeit gehört habe. Und dann … sagen wir mal, es ist nicht unbemerkt geblieben, und man bat mich, ein Auge auf dich zu haben.« Lächelnd legte er den Arm um ihre Schultern. »Das mache ich gern, auch wenn es an sich nicht meiner Jobbeschreibung entspricht.« Er grinste. »Ich bin ein Wächter, kein Schutzpatron. Aber reden wir nicht von mir. Was ist mit Lucian? Mich hat fast der Schlag getroffen, als dieses Sahnestückchen vor mir stand.«
»Sahnestückchen, ja? Ich fürchte, damit liegst du vollkommen falsch. Er mag zwar ganz nett aussehen, aber in sein Inneres lässt er sich nicht blicken, und mich hier einfach auszusetzen, finde ich auch nicht besonders liebenswert.«
»Da hast du wohl recht, und er wirkte extrem dominant auf mich. Liebelein, du hast doch nicht etwa so eine Affäre begonnen?«
Wider Willen musste sie lachen. »Was meinst du denn damit? Dass ich eine Beziehung mit ihm führe, wie John und du es tun? Da kann ich dich beruhigen, wir haben gar keine Beziehung .« Der Schmerz, der ihre Seele bei diesen Worten befiel, war schier unerträglich.
Peter interpretierte Milas Blässe falsch und sagte: »Es ist nichts Verwerfliches daran, einem Dominus zu dienen. Was glaubst du denn, was die magische Welt zusammenhält? Wir alle müssen uns einem Herrn unterwerfen und uns seiner Führung anvertrauen. Dafür genießen wir seine Liebe und seinen uneingeschränkten Schutz.«
»Oder einer Herrin «, ergänzte Mila. Ihr war nicht ganz wohl bei diesem Thema, denn Lucian hatte wirklich eindeutig dominante Züge an sich, die zu hinterfragen sie bisher noch nicht gewagt hatte.
Peter betrachtete sie mehrere Sekunden lang nachdenklich. »Ein Sterblicher ist ja sowieso nichts für dich … Wahrscheinlich solltest du ihn einfach vergessen.«
»Peter, er ist kein Sterblicher. Er ist ein …« Durfte sie es verraten? Mila entschied, dass ihr Schutzengel Bescheid wissen musste. Als Wächterengel aus Elysium, der auf der Erde lebte, war er vermutlich ohnehin eine Menge gewöhnt. »Er ist ein Dunkler Engel.«
»O wirklich? Das erklärt … Egal! Ich will nicht eingebildet klingen, aber ein kleines Licht in der Schattenwelt kann er nicht sein, wenn es ihm gelungen ist, mich derart zu täuschen.« Fassungslos fügte er hinzu: »Ich hatte echt keine Ahnung. Gibt’s das?« Doch gleich darauf entspannte er sich. »Also, wenn du mal Fragen haben solltest, dann kannst du immer zu mir kommen. Ich glaube, es gibt noch einiges, was du über deinen finstereren Mr. Shaley lernen musst. Er hat jedenfalls äußerst überzeugend deutlich gemacht, dass du unter seinem Schutz stehst, und ich habe den Verdacht, jemandem wie ihm widerspricht man nicht, falls einem der eigene Seelenfrieden am Herzen liegt.«
Hieß das, er würde mich nicht vor Lucian beschützen? , dachte Mila erschrocken. Laut sagte sie: »Ach nein ? An Widerspruch wird er sich aber in Zukunft gewöhnen müssen, wenn er weiter
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