Feuerschwingen
strapaziert.
Während Noth das einfache Getränk entgegennahm und mit der jungen Frau flirtete, nutzte Lucian die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Der Dämon sah anders aus als bei ihrer Begegnung in der Unterwelt. Sein Sommeranzug war modisch geschnitten und von bester Qualität, die Schuhe signalisierten Maßarbeit . Das einzige Schmuckstück, das er trug, war eine dieser besonderen Uhren aus einer traditionsreichen Werkstatt, die dennoch nur diejenigen kannten, die sich ein individuell handgefertigtes Chronometer auch leisten konnten.
In Stilfragen wusste Lucian Bescheid. Erst neuerdings hatte er lässigere Outfits für sich entdeckt, die bestens zu der Camouflage passten, auf die er bei anonymen Besuchen der Welt der Sterblichen gern zurückgriff. Schnell hatte er sich mit der Freiheit angefreundet, die ihm Jeans und T-Shirts oder Hemden boten. Mila, und das war ihm inzwischen ebenso wichtig, schien es zu gefallen.
Doch die Kleidung des Dämons war es natürlich nicht, die Lucian nachdenklich machte. Ohne überheblich zu wirken, strahlte Noth das selbstbewusste Auftreten der Mächtigen aus, und damit unterschied er sich zweifellos von dem Sohn des gefürchteten Durival, den er bei ihrer kurzen Begegnung in der Unterwelt kennengelernt hatte.
Behutsam öffnete er erneut seine Sinne, betrachtete aufmerksam die farbige Pracht der Magie, die selbst jemand wie Noth nicht vor ihm verbergen konnte, und auf einmal, wie ein Schlag ins Gesicht, traf ihn die Erkenntnis: Der Dämon stellte niemanden dar, wie etwa Arian und Lucian es taten. Er war der russische Oligarch, den die Welt als einen der gegenwärtig reichsten Unternehmer kannte, und augenscheinlich fühlte er sich in dieser Rolle ausgesprochen wohl. Wohler als in der Unterwelt.
Interessant. Irgendwie musste es ihm gelungen sein, unbemerkt zwischen den Welten zu pendeln und sich gewissermaßen ein neues Leben aufzubauen .
Russland gehörte zwar nicht zu Lucians eigenem Territorium, aber letzten Endes musste doch meistens er den Kopf hinhalten, wenn Luzifer herausfand, dass sich jemand dermaßen unverschämt über die Regeln hinwegsetzte – eben so, wie Noth es offenbar seit einiger Zeit praktizierte.
»Was führt dich hierher?« Die wenig freundlichen Gefühle, die seine Entdeckung ausgelöst hatten, merkte man ihm nicht an.
Noth trank einen Schluck und setzte das Glas behutsam ab.
Er war, für Lucian offensichtlich, auf der Hut. Wobei sich diese gespannte Vorsicht nicht in seiner höflichen Miene zeigte.
»Ich hätte auch nicht damit gerechnet, dir an diesem Ort zu begegnen. Das heißt vermutlich, du weißt, was gespielt wird?«
Es war nun nicht zu überhören, dass es Noth wichtig war herauszufinden, inwieweit er über die Ereignisse in Stanmore Bescheid wusste.
»Erzähl mir deine Version«, entgegnete Lucian und genoss es zu beobachten, wie Noths Lider unruhig flatterten, bevor er sich wieder fing. Anstatt auf die Bemerkung einzugehen, wechselte der Dämon nicht besonders elegant das Thema.
»Was hast du mit Leonardo gemacht? Hast du ihn umgebracht?«
Verliert er so schnell die Nerven? , dachte Lucian amüsiert. Obwohl er sich darüber hinaus fragte, wieso sich der Dämon für das Schicksal eines unbedeutenden Sterblichen interessierte, antwortete er wahrheitsgemäß: »Der gute Leonardo hat einen betrüblichen Hang zum Glücksspiel.« Er schwieg für die Dauer eines Herzschlags und sagte dann scharf: »Hast du ihn deshalb für dieses Treffen ausgesucht, oder wegen seiner römischen Verbindungen?«
»Ich habe ihn überhaupt nicht ausgesucht , aber ich sehe, du bist bestens informiert.«
Lucian sagte kein Wort. Geduldig wartete er darauf, dass Noth weitersprach. Irgendwann taten sie es alle. Menschen wie Dämonen konnten die Stille schlecht ertragen.
Bei seinem Gegenüber war es nicht anders. Nachdem er einen Schluck aus seinem Wasserglas getrunken und sich daran fast verschluckt hatte, sagte er mit belegter Stimme: »Ich wünschte, das wäre Wodka.«
Als Lucian nicht mit der Wimper zuckte, gab er sich geschlagen und beantwortete endlich die Frage: »Vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass Anthony Khavar regelmäßig im Gefängnis auftaucht. Da ich nicht davon ausgehe, dass es sich dabei um Freundschaftsbesuche handelt, beschloss ich, der Sache nachzugehen. Es ist ja nicht so, als würde sich normalerweise jemand darum reißen, Durival den Aufenthalt mit Wein und Leckereien zu versüßen.«
»Du dachtest also, Anthony könnte eventuell
Weitere Kostenlose Bücher