Feuerschwingen
den Portalen. Geh der Sache nach.«
»Das werde ich.« Lucian wusste, dass er entlassen war, und ging zur Tür. Wahrscheinlich war er der Einzige, der es wagte, dem mächtigsten Wesen der Unterwelt den Rücken zuzukehren … wenn sie unter sich waren.
»Lucian.«
Die Hand auf der Türklinke, wartete er darauf, was noch kommen würde.
»Den Schlüssel hat sie von ihrem Vater. Und noch etwas: Vergiss nicht, Signora Tentazione möchte dich sehen.«
So leise wie möglich verließ Lucian das Büro. Die Signora wartete bereits auf ihn.
Eine wechselvolle gemeinsame Vergangenheit hatte ihn mehr als einmal in ihr ausgesprochen einladendes Bett geführt. Dennoch kannte er noch immer nicht ihren Vornamen.
»Komm her!«, sagte sie und zog seinen Kopf zu sich herunter, um ihn zu küssen.
Lucian ließ sich nicht zweimal bitten.
Eine äußerst befriedigende Stunde später malte er mit den Fingerspitzen Kreise auf ihre samtschwarzen Schenkel und überlegte, ob sie zu bewegen sein würde, noch ein bisschen länger ihre Pflichten zu vernachlässigen. Plötzlich setzte sie sich auf. »Ich sollte es dir nicht erzählen, aber sie ist meine Halbschwester.«
»Wer?« Im ersten Augenblick war er verwirrt.
»Naamah. Sie hat schon immer versucht, Unfrieden zu stiften. Dafür hat unser Vater sie zu seiner Erbin ernannt, obwohl ich und sogar meine jüngeren Geschwister ein weitaus größeres Recht auf seinen Thron hätten. Ihre Mutter war nicht mehr als eine unbedeutende Sklavin.«
Lucian setzte sich ebenfalls auf, legte ihr die Arme um den Körper und zog sie an sich. »Und was machen wir jetzt mit deiner lieben Schwester?«, fragte er leise in ihr Ohr. Verriete sie ihm mehr über den Schlüssel, wenn er sie danach fragte?
»Es ist nicht richtig, dass sie den Schlüssel benutzt. Vater hat in seinem Treueeid schwören müssen, ihn niemals einzusetzen.« Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. Dabei ließ sie etwas Kaltes in seine Hand gleiten. »Der Überlieferung nach muss es nur in der Hand gehalten werden, und jedes Siegel, das man damit webt, wird unüberwindlich.«
»Das kann ich unmöglich annehmen!«
»Du musst. Wenn du fertig bist, bringst du es mir zurück. Und … Lucian?«
»Sì, Signora?« Zärtlich küsste er ihren samtweichen Nacken. Vielleicht würde sie doch noch etwas mehr Zeit für ihn erübrigen können.
»Luzifer hat recht – etwas äußerst Bedrohliches wurde in Gang gesetzt, und ich glaube, du bist der Einzige, der es aufhalten kann.« Sie seufzte. »Diese Stunden mit dir werden mir fehlen.«
Genau wusste er nicht, was sie damit meinte, denn ihre Gedanken blieben ihm verschlossen. Aber in den folgenden Stunden gelang es ihm, ihr einige weitere ausgefallene Gründe zu liefern, ihn zu vermissen.
Bald nach der Rückkehr in seinen Palast hatte Lucian sämtliche Siegel erneuert. Und obwohl er lieber zu Mila wollte, die inzwischen sicher in ihrem Häuschen angekommen war, nahm er sich die Zeit, die oberflächlich betrachtet unscheinbare Leihgabe der Signora in eine mit kostbaren Edelsteinen besetzte Schatulle zu legen und sie eigenhändig in Luzifers Palast zu tragen, der seit einigen Jahren eher einem Bürohochhaus glich als dem Sitz des mächtigsten Herrschers der Unterwelt.
Geduldig wartete er darauf, dass die Signora ihr Büro betrat. Als sie endlich die Tür zu ihrem Reich öffnete, stand er auf, verbeugte sich und sagte: »Danke!« Mit diesem Wort, das kaum ein Wesen jemals von ihm gehört hatte, überreichte er ihr das nicht mit Gold aufzuwiegende Kästchen.
»Jederzeit wieder«, raunte sie und zwinkerte ihm zu.
11
D er Schlaf hatte Mila erfrischt. Sie richtete sich auf und versuchte vorsichtig, vom Sofa aufzustehen.
»Wirst du wohl liegen bleiben!« Selten hatte Florence resoluter geklungen. Außer vielleicht, wenn sie mit Handwerkern oder Lieferanten verhandelte.
Ein heller Schmerz schoss durch ihren Körper. Mila ließ sich behutsam zurücksinken. »Es ist nicht so schlimm, wie du denkst.«
»Ja sicher! Du springst aus den Wolken, der Schirm öffnet sich nicht, und mit dem Ersatzschirm fliegst du direkt in einen Baum. Das nennst du nicht schlimm ?«
Inzwischen hatte sie so unterschiedliche Versionen ihres Unfalls gehört, dass Mila selbst nicht mehr genau wusste, was in Wahrheit passiert war.
»Natürlich war es schrecklich«, gab sie bereitwillig zu. »Und mir tut jeder Knochen weh.«
Hier übertrieb sie nicht. Den vermeintlich außergewöhnlichen Heilungskräften zum Trotz waren ihre
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