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Feuersee

Titel: Feuersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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hindurchzuwerfen!«
    Nie zuvor hatte der Kanzler den Herrscher so
reden gehört, mit dieser gedämpften,
ehrfürchtigen, sogar ängstlichen Stimme.
Pons überlief ein Frösteln, wie das erste Anzeichen
eines schweren Fiebers. Der
Blick des Herrschers verlor sich in einer Ferne jenseits der dicken
Granitmauern des Palastes, suchte einen Ort, den der Kanzler weder
sehen noch
sich auszumalen vermochte.
    »Es geschah kurz vor Anbrach der Wachzeit, Pons.
Ihr wißt, daß Wir einen leichten Schlaf haben. Wir
erwachten plötzlich,
aufgeschreckt von einem Geräusch, das Wir nicht einzuordnen
wußten. Es hörte
sich an wie eine Tür, die sich öffnete –
oder schloß. Wir richteten Uns auf und
zogen die Bettvorhänge zur Seite, in dem Glauben, jemand
wäre mit einer
wichtigen Nachricht ins Zimmer getreten. Doch es war niemand gekommen.
    Der Eindruck, eine Tür schlagen gehört zu
haben,
war so stark, daß Wir die Lampe neben dem Bett
entzündeten und die Wachen rufen
wollten. Wir erinnern uns genau: Mit einer Hand hielten Wir den
Vorhang, die
andere war noch zur Lampe ausgestreckt, als alles um Uns herum
– Wellen
schlug.«
    »Wellen schlug, Sire?« Pons runzelte die
Stirn.
    »Ja, es klingt unglaublich.« Kleitus
streifte
seinen Kanzler mit einem beinahe verlegenen Blick. »Wir
können es nicht anders
beschreiben. Alles ringsumher verlor Form und Substanz, Dimension. Es
kam Uns
vor, als wären Wir selbst, das Bett, die Vorhänge,
die Lampe und der Tisch auf
einmal nicht mehr als ein Ölfilm auf stillem Wasser. Die
Wellenbewegung erfaßte
Uns, den Boden, das Bett, den Tisch. Innerhalb eines Augenblicks war
alles
vorüber.«
    »Ein Traum, Sire. Schlaftrunken
…«
    »Das hätten Wir vielleicht auch geglaubt.
Aber
in diesem Augenblick, Pons … Dies ist, was Uns
vergönnt wurde, zu sehen.«
    Der Herrscher war ein Magier mit besonders
großen Fähigkeiten. Was er sagte, ließ im
Bewußtsein des Kanzlers Bilder
entstehen. Sie huschten in so rascher Folge vorüber,
daß Pons verwirrt war. Er
konnte nichts deutlich erkennen, hatte nur einen schwindelerregenden
Eindruck
von einem wirbelnden Szenario, wie damals, in seiner Kindheit, wenn
seine
Mutter ihn bei den Händen faßte und spielerisch im
Kreis herumschwenkte.
    Pons sah eine gigantische Maschine, deren
metallene Glieder den Teilen des menschlichen Körpers
nachgebildet waren und
die mit absurdem Eifer sinnlose Tätigkeiten verrichtete. Er
sah eine
Menschenfrau mit schwarzer Haut und einen Elfenprinzen Krieg
führen gegen des
Prinzen eigenes Volk. Er sah ein Volk von Zwergen sich gegen Tyrannei
erheben.
Er sah eine sonnenbeschienene grüne Welt und eine herrliche,
glänzende Stadt,
leer, verlassen. Er sah riesige Kreaturen, grausig, augenlos, eine
fremde
Gegend durchstreifen, morden, was ihnen in den Weg kam, und er
hörte sie rufen:
›Wo ist die Zitadelle?‹ Er sah
Geschöpfe, den Sartan ähnlich, grimmig,
furchteinflößend in ihrem Haß und Zorn,
mit Runenzeichen tätowiert. Er sah
Drachen …
    »Nun, Pons, begreift Ihr jetzt?« Kleitus
seufzte, teils sehnsüchtig, teils ungeduldig.
    »Nein, Sire!« brachte der Kanzler stockend
heraus. »Ich begreife gar nichts. Was – wo
– wie lange …«
    »Wir wissen auch nicht mehr über diese
Visionen
als Ihr. Die Bilder flogen zu schnell vorbei, und wenn Wir eines
festzuhalten
versuchten, schlüpfte es durch Unsere Finger wie Regen. Doch
was Wir gesehen
haben, Pons, sind andere Welten. Welten jenseits des Todestores, wie es
in den
alten Chroniken geschrieben steht. Wir sind ganz sicher! Das Volk darf
nichts
davon erfahren, Pons. Nicht, solange Wir nicht bereit sind.«
    »Nein, selbstverständlich nicht,
Sire.«
    Die Züge des Monarchen verhärteten sich.
»Dieses
Reich stirbt. Wir haben andere beraubt, um es am Leben zu erhalten
…« Wir haben
andere zum Tode verurteilt, um es zu erhalten, korrigierte Pons, aber
nur in
Gedanken.
    »Wir haben dem Volk den wahren Sachverhalt
verschwiegen, zu seinem eigenen Besten natürlich. Es
gäbe sonst Panik, Chaos,
Anarchie. Und jetzt kommen dieser Prinz und sein Volk
…«
    »… und die Wahrheit«, sagte
Pons.
    »Ja«, stimmte der Herrscher zu.
»Und die
Wahrheit.« »Majestät, wenn ich offen
sprechen darf …«
    »Tut Ihr das nicht immer?«
    »Ja, Sire.« Der Kanzler lächelte
matt. »Und wenn
wir diesen Flüchtlingen nun erlauben, hier zu siedeln, sagen
wir – in den alten
Provinzen.

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