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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Fähigkeit, nach Belieben jede äußere Erscheinung anzunehmen. In der Tat hatte Alastor nie das wahre Gesichtseines Vaters gesehen. Und an diesem Tag hatte Sutekh sich dafür entschieden, Lokans Gestalt anzulegen – Lokans Gesicht, sein gelbblondes Haar, seine schlanke, athletische Figur. Nur die Augen waren falsch. Während Lokans Augen blaugrau gewesen waren, blickten Sutekhs Augen schwarz und seelenlos, ohne Tiefe oder Regung. Welch ein Horror, ins Angesicht seines ermordeten Bruders zu schauen und dabei zu wissen, dass dieses Gesicht dem Mörder dieses Bruders gehörte.
    Alastors Zorn nahm zu, und in ihm keimte der Wunsch auf, seinen Vater auszulöschen.
    „Gut so“, meinte Sutekh. „Stille meinen Hunger.“
    So lief das also. Sutekh hatte seine Verkleidung mit Bedacht gewählt, um in Alastor Hass und Schmerz zu wecken und an die Oberfläche zu holen, damit er sich daran weiden konnte. Negative Gefühle anderer waren wie Nahrung für Sutekh, und wenn Alastor schon mit leeren Händen kam und ihm keine Schwarze Seele zum Verspeisen anzubieten hatte, wollte der Herr des Chaos wenigstens auf diesen Genuss nicht verzichten.
    Nun lag es allein an Alastor, seine Gefühle zu zügeln, um seinem Vater diesen Genuss zu versagen. Alastor dachte an seine Naphré, die die Fähigkeit besaß, sich nichts von ihren Emotionen anmerken zu lassen, und, wenn sie wollte, nach außen hin eine undurchdringliche, kühle Miene zur Schau trug, selbst wenn es in ihr kochte. An ihr Beispiel hielt er sich, während er die Wogen in seinem Inneren glättete.
    Sutekh kniff die Augen zusammen. Alastor merkte, wie sein Vater vergeblich versuchte, an seinen Unmut und seinen Zorn zu gelangen, zu denen ihm der Zugang plötzlich verwehrt war. Äußerlich gelassen verschränkte Alastor die Arme vor der Brust und sagte nur: „Du hast mich kommen lassen?“
    „Du bist wütend.“ Die Luft um Sutekh herum begann zu flimmern und zu flirren, und dann war es nicht mehr Lokan, der Alastor gegenüberstand, sondern jemand mit glattem, dunklem Haar und einem Lächeln, bei dem ein Grübchen in jeder Wange zu sehen war. Aber so kalt und seelenlos wie dessen Augen warauch dieses Lächeln. „So besser?“, fragte Sutekh mit Naphrés Stimme.
    Alastor kam es vor, als schnürte ihm ein Stahlband die Brust dermaßen ein, dass es ihm den Atem nahm. Zunächst war er wie vor den Kopf geschlagen, denn Sutekh hatte Naphré nie gesehen. Dann kam ihm die Erleuchtung. Sutekh hatte Naphrés Bild doch gesehen – in seinen, Alastors, Gedanken.
    Alastor konzentrierte sich und verscheuchte jeden Gedanken aus seinem Hirn bis auf ein einziges klares Bild, das Bild, das die Kunst der alten Ägypter von Sutekh überlieferte. Sutekh mit dem Hundekopf, einer lang gezogenen Schnauze, ähnlich der des Ameisenbären, und dem gegabelten Schwanz. Und tatsächlich. Wieder umgab Sutekh das eigenartige Flimmern, und er verwandelte sich in diese Gestalt, in der er Alastor nie zuvor erschienen war. War das nun sein wahres Ich? Es spielte keine Rolle. Solange es nicht die Ebenbilder von Lokan oder Naphré waren, sollte es ihm recht sein.
    „Du bist gerissen“, sagte Sutekh, und Alastor war sich nicht sicher, ob das als Kompliment oder Tadel gemeint war. Aber auch das war ihm gleich. Was sein Vater guthieß oder nicht, interessierte ihn nicht mehr. „Vielleicht sollte ich dich zu meiner rechten Hand machen, jetzt, wo dein Bruder nicht mehr da ist. Du hast, glaube ich, Talent dazu.“
    Die Bemerkung war nur ein weiterer Versuch, Alastor aus der Reserve zu locken und seine Wut zu schüren. Aber Alastor ignorierte sie. Er hatte keine Lust, die Bestie zu füttern.
    „Du bist furchtlos.“
    „Ist es das, was du von mir willst? Meine Furcht?“
    „Ich will deine Loyalität.“
    „Die hast du gehabt. Von uns allen. Bis du unseren Bruder getötet hast.“ Und warum? Alastor hatte die Frage schon auf den Lippen, aber hielt sie zurück. Diese Blöße wollte er sich nicht geben, und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass ihm sein Vater die Wahrheit sagen würde.
    Aber Sutekh überraschte ihn und rückte tatsächlich miteiner Information heraus, sogar aus freien Stücken. Oder was bezweckte er damit? Sutekh tat nie etwas ohne Hintergedanken.
    „Die Prophezeiung.“
    „Ja, natürlich. Das liegt ja auf der Hand. Du hast Lokan getötet, um ihm seinen Körper zu stehlen, in dem du wieder auf die Erde zurückkehren wolltest.“
    „Du siehst nur das Naheliegende“, sagte Sutekh und winkte mit

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