Feuersuende
bin“, antwortete er zögernd. Er blieb stehen. „Du willst mir doch nicht erzählen, dass das der Weg sein soll, der hier herausführt? Das hatte ich alles schon und wäre fast von einer Riesenschlange zum Frühstück verspeist worden.“
Sie stießen auf eine Unmenge von Seelen, die in einer langen Zweierreihe standen und warteten. Vorne lag ein Boot aus den Schilfblättern des Papyrus im Wasser.
„Boone hat dir doch angekündigt, dass er dir jemanden schickt, der dich durch die zwölf Pforten geleiten kann.“ Sie schien Lokans Bedenken nicht zu teilen.
„Und der einzige Weg hindurch muss mit dem Boot bewältigt werden?“
„Hast du etwas gegen Boote?“, fragte sie zurück. Dann erinnerte sie sich aber an eine Szene von früher. Sie waren an einem sonnigen Tag unterwegs gewesen und fuhren auf einer Fähre. Lokan hatte die ganze Überfahrt über an der Reling gestanden, ins Wasser gestarrt und sich geweigert, Danas Hand auch nur für einen Moment loszulassen.
Zögernd legte sie ihm die Hand auf den Arm. Sie fühlte seine warme Haut und die Stärke seiner Muskeln. Ein angenehmes Gefühl. Sie betrachtete die goldenen Härchen auf seinem Unterarm, dann schaute sie ihm ins Gesicht und fragte unverblümt: „Was ist los mit dir?“
„Was los ist? Ich bin Sutekhs Sohn, und dies hier ist zufällig der Wartesaal zu Osiris’ zwölf Pforten. Und dann war da ja noch diese unangenehme Geschichte, dass mein Vater Osiristötete und ihn in Stücke zerlegte.“ Lokan verstummte, und Bryn wurde reichlich beklommen zumute, weil sie unwillkürlich daran dachte, wie Lokan gelitten haben musste, als Sutekh dasselbe mit ihm gemacht hatte. „Ich bin das letzte Mal nur hier herausgekommen“, fuhr Lokan fort, „weil dein Bruder mir dieses Schlupfloch zwischen Raum und Zeit gelassen hat. Ich bezweifle, dass es ein so brillanter Plan ist, mich ein zweites Mal auf diesen Trip zu begeben.“
„Nur haben wir keinen anderen Plan. Ich dachte, Boone hätte dir erklärt, dass er sich darum gekümmert hat. Er hat mit Osiris einen Deal gemacht. Osiris wird dir keine Hindernisse in den Weg legen.“
Lokan ließ sich nicht irremachen. Er hatte genau auf Bryns Wortwahl geachtet. „Er wird mich nicht hindern, aber er wird mir auch nicht gerade helfen. Heißt es das?“
„Es heißt, wenn du den Weg durch die Tore findest, wird sich Osiris dir nicht in den Weg stellen.“
„Und Boone kann das alles voraussagen? Ist er Hellseher?“ Ein leicht gereizter Unterton lag in Lokans Worten. Bryn konnte das verstehen. Wenn einen schon der eigene Vater ans Messer liefert, kann man schon mal misstrauisch werden. Und was sie ihm angeboten hatte, waren bisher auch nur Garantien aus zweiter Hand. Warum sollte er darauf bauen?
„Ich führe dich durch die Pforten“, sagte sie mit sanfter Stimme und hätte gern noch mehr gesagt. Wenn sie ihm jedoch die ganze Wahrheit offenbarte, würde er bestimmt nicht mit ihr gehen, befürchtete sie. Das war so gewiss, wie gewiss war, dass kein anderer Weg hier herausführte. „Es wird dir nicht gehen wie das Mal zuvor, weil ich jetzt bei dir bin. Du bist gescheitert, weil du weder die Zauberformeln kanntest noch im Besitz der nötigen Magie warst.“
„Und du bist im Besitz der nötigen Magie, Bryn? Wo hast du dein Wissen versteckt?“
Wie um das Gesagte zu unterstreichen, musterte er sie von Kopf bis Fuß und dann noch einmal eingehender inumgekehrter Richtung. Ziemlich ungeniert starrte er ihr dabei auf die Brüste. Das war neu. Die ganzen bewussten sieben Jahre hindurch hatten sie miteinander Mahlzeiten eingenommen, waren spazieren gegangen oder hatten auf der Couch gemeinsam ferngesehen, alles mit Dana zwischen sich. Nie hatte er sie – abgesehen von ihrer ersten Nacht in Miami – so angesehen wie jetzt. Und nie war ihr bei einem Blick von ihm so heiß geworden. Sie musste sich wirklich fragen, was zum Henker in sie gefahren war, dass sie ausgerechnet hier und jetzt auf solche Gedanken kam.
„Ich besitze diese Dinge nicht“, korrigierte sie Lokan schließlich, „man könnte sagen, ich bin diese Dinge. Ich trage dieses Wissen in mir.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Bryn, sprich. Klar und deutlich, weil ich dieses Drumherumgerede nicht mehr hören kann.“ Mit einem schiefen Lächeln fügte er hinzu: „Was eigentlich ein Witz ist, wenn gerade ich so etwas sage. Denn sonst bin ich es meistens, der um den heißen Brei redet.“
„Du meinst als Botschafter deines Vaters?“
Er hob
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