Feuertanz
Wir haben jetzt recht lange getrennt gewohnt. Änggården passt uns gut, und er will mit mir zusammen dieses schöne alte Haus renovieren. Sein Bruder hat ein Bauunternehmen und …«
Wumm! Irene zuckte zusammen, als die Tür hinter ihrem Rücken knallend ins Schloß fiel. Sie hatte nicht bemerkt, dass sich Frej eilig entfernt hatte.
Angelica seufzte laut und warf Irene einen Wir-Mütter - haben-es-nicht-leicht-Blick zu. »Frej findet vermutlich, dass er seine Freiheit verliert. Aber ich habe ihm mehrmals erklärt …«
Sie unterbrach sich und schwieg eine Weile.
»Ich habe Marcelo versprochen, dass er meine Wohnung in der Distansgatan übernehmen darf. Es ist eine wunderbare Zweizimmerwohnung. Aber wenn Frej sie lieber haben möchte, kann Marcelo auch hier oben einziehen.«
Sie machte eine ausholende Handbewegung. Irene konnte Frej verstehen; er hatte so viel Liebe in diese Wohnung gesteckt. Der Gedanke, sie verlassen zu müssen, musste fast unerträglich sein.
»Ich wollte Sie bei dieser Gelegenheit noch fragen, was die Zeichen, die in Sophies Schlafzimmer an der Wand hängen, zu bedeuten haben«, sagte Irene.
»Das ist die Benesh Notation, eine Methode der Choreologie, um Tanz niederzuschreiben. Die Zeichen stehen unter den Noten, damit man die Musik und die Bewegungen gleichzeitig lesen kann.«
»Eine Art Tanznoten?«
»So könnte man sagen. Aber ich benutze Benesh nie. Ich verwende Videoaufzeichnungen, wenn ich choreographiere. Oder ich mache einfach Strichmännchen.«
»Wissen Sie, ob Sophie immer diese Form der Notation verwendet hat?«
»Ich glaube schon. Das passte zu ihrer … Psyche.«
Das darauf folgende Schweigen wurde von Reifenquietschen unterbrochen. Angelica strahlte.
»Jetzt kommt Staffan!«, rief sie fröhlich.
Sie drehte sich um und hielt Irene, der kein Vorwand einfiel, um länger im Haus zu verweilen, die Tür auf. Zusammen gingen sie die Treppe hinunter und erreichten die untere Diele, als es klingelte. Angelica eilte leichtfüßig zur Tür und öffnete. Mit einem Freudenschrei warf sie sich dem dort wartenden Mann um den Hals. Sie umarmten und küssten sich lange. Lachend löste sich der Mann aus ihrer Umarmung und trat über die Schwelle.
»Dies ist eine Dame von der Polizei, die gerade gehen wollte«, sagte Angelica und sah Irene durchdringend an.
Sie lächelte den großen Mann an und hielt ihm die Hand entgegen. Er hatte einen festen Händedruck und stellte sich als Staffan Östberg vor. Er sah wirklich aus, wie man sich einen Topmanager bei Volvo vorstellte. Unter dem offenen dunkelblauen Ulster trug er einen dunkelbraunen, gerade geschnittenen Anzug, der zu dem nougatbraunen Hemd und dem burgunderroten Schlips passte. Sein stahlgraues Haar lichtete sich bereits ein wenig. Er wirkte recht gut in Schuss, schien aber nach Irenes Einschätzung sein Verfallsdatum bereits überschritten zu haben und würde vermutlich bald in Rente gehen. Angelica hatte nach wie vor ein Faible für ältere Männer.
»Wir wollen das Wochenende dazu nutzen, uns zu überlegen, was die Handwerker tun oder wo sie zumindest beginnen sollen«, zwitscherte Angelica und sah ihren Partner und baldigen Mitbewohner strahlend an. Dieser lächelte zärtlich und betrachtete sie, als sei sie ein übereifriges Kind.
»Natürlich, mein Kleines. In groben Zügen wissen wir, was zu tun ist, aber Kenneth kommt auch her.«
»Kenneth?«, sagte Angelica fragend.
»Mein Bruder. Seine Leute kümmern sich um alles. Abriss, neue Rohre, Fassade, Anstreichen … alles.«
Staffan Östberg sagte das mit solch gelassener Überzeugung, dass Irene ihn fast gefragt hätte, ob er Kenneth nicht auch bei ihr zu Hause vorbeischicken könnte. Einige ihrer Giebelbretter wiesen Feuchtigkeitsschäden auf und mussten ausgetauscht werden. Und die Bretter an den Regenrinnen … Sie rief sich zur Vernunft, schließlich war ihr klar, dass dieser wunderbare Mann wohl kaum gratis arbeitete. Handwerker waren teuer. Staffan Östberg hatte ganz offensichtlich Geld. Auch so etwas, was Angelica immer wichtig gewesen war: Geld.
Vielleicht war es die finanzielle Sicherheit, die sie bei älteren Männern suchte. Aber jetzt würde sie ja von ihrer Tochter einiges erben. Sophie hatte das, was sie von ihrem Vater geerbt hatte, wohl kaum verschwendet.
»Beginnen Sie die Renovierung hier im Erdgeschoss?«, fragte Irene.
Bevor Angelica noch etwas sagen konnte, antwortete Staffan Östberg: »Nein. Wir legen erst einmal den Keller trocken und erneuern
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