Feuerwogen
verlassen. Aber sie …« Er verstummte, verloren in Erinnerungen. Er benutzte ihren Namen nicht. Das brauchte er nicht. Für ihn hatte es immer nur eine »sie« gegeben, bis heute.
»Du hast ihr das Fell gestohlen«, sagte Dylan hart und kalt. »Du hast ihr das Leben weggenommen.«
»Ich habe ihr ein neues Leben und drei Kinder gegeben. Das hätte reichen müssen.«
»Du hast sie ihrer selbst beraubt.«
»Hat sie nicht dasselbe auch mir angetan? Ich hatte nie mehr Frieden, nachdem ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie sagte, dass sie mich liebte.« Barts Stimme brach wie Eis im April. »Aber wie hätte ich ihr glauben können? Da sie doch war, was sie war, und ich, was ich war.«
Dylan öffnete den Mund, um zu widersprechen, kochenden Zorn im Blut. Sein Vater hatte unrecht. Hatte immer unrecht gehabt.
Und doch …
Ihm blieben die Worte im Hals stecken, bitter und unausgesprochen.
Glaubte Dylan nicht dasselbe? Ein Selkie konnte keinen Menschen lieben.
Bart hielt seinem Blick stand, ein trauriges Erkennen in den Augen. Dann starrte er wieder hinaus auf die See. »Dein Bruder sagt, du brauchst ein Dach über dem Kopf. Du kannst dein altes Zimmer haben, wenn du willst.«
Dylan kam mit der gepackten Tasche die Treppe herunter, während Regina den Boden fegte. Der Ofen war aus, die Vordertür verschlossen, auch die Rechnungen vom Tag hatte sie bereits boniert … und wieder einmal schickte sich ein Mann an, sie zu verlassen.
Regina sah von Dylans Reisetasche in sein verschlossenes Gesicht und fühlte, wie sich ihr Herz verkrampfte.
Finde dich damit ab,
sagte sie zu sich. Sie sollte sich mittlerweile daran gewöhnt haben, dass die Männer immer wieder gingen.
Es war ohnehin nur für die Nacht. Diesmal. Er wollte am nächsten Morgen wiederkommen. Sagte er.
Dylan sah sich im leeren Restaurant um. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Musst du das wirklich selbst machen?«
Sein Tonfall irritierte sie. Gut. Ein Streit würde sie von der Angst ablenken, allein absperren zu müssen, von dem leisen, ziehenden Schmerz im Bauch, würde die Einsamkeit lindern, die darauf wartete, sie zu verschlucken, wenn sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
»Siehst du vielleicht jemand anderen, der es machen könnte?«, fragte sie.
Nun sah er verärgert aus. »Deine Mutter …«
»War die letzte halbe Nacht hier und gestern den ganzen Tag. Ich bin sowieso fast fertig.«
Dylan stellte die Tasche ab. »Dann gib mir den Besen.«
»Ich denke gar nicht daran.«
»Regina.« Er legte die Hand genau über ihrer auf den Griff. Seine Stimme klang scherzhaft, aber in seinen Augen drohte Gereiztheit, heiß und echt und so nah, dass sie ihn hätte küssen können. »Willst du wirklich ein Tauziehen um einen Besen mit mir veranstalten?«
Sie dachte nach. »Nein.«
»Na dann …«
Mit einem Seufzer ließ sie den Besen los. Dylan begann, den Boden zu fegen. Währenddessen wischte sie die Tagesgerichte von der Tafel.
»Danke, dass du Nick auf dem Boot mit hinausgenommen hast«, sagte sie. »Heute Abend hat er von nichts anderem gesprochen.«
»Wir haben uns prächtig amüsiert.« Dylan leerte die Kehrichtschaufel in den Mülleimer. »Dich nehme ich morgen mit.«
Regina wischte ihre Kreidefinger an der Schürze ab. »Ich kann nicht. Ich muss arbeiten.
»Du kannst nicht die ganze Zeit arbeiten.«
Er folgte ihr in die Küche und stellte den Besen in den Putzschrank zurück. Dieser Schrank … Regina unterdrückte ein Frösteln.
Dylan runzelte die Stirn. »Du siehst fix und fertig aus.«
»Mir geht es gut. Ich bin nur müde.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Die Morgenübelkeit scheint diesmal besonders heftig und früh zu kommen.«
»Dir ist schlecht?«
Seine augenblickliche Sorge hätte sie freuen müssen. Aber sie wollte nicht, dass er da blieb, weil sie ihm
leid
tat. »Mir geht es gut«, wiederholte sie.
»Ist es das Baby?«
»Ja. Nein. Ich weiß nicht.« Unruhe zerrte an ihren Nerven und ihrer Stimme. »Ich habe Krämpfe, okay?« Kerle hassten Krämpfe. »Schon den ganzen Tag.«
»Sag mir, was ich tun soll«, bat er.
Wenn sie ihm das noch sagen musste, was brachte das dann?
»Nichts. Ich war bei der Ärztin. Ich will nicht, dass du Krankenschwester spielst.«
Er sah sie ruhig an. Schweigend. Willig. Und vollkommen ratlos.
Emotional stehen geblieben in einem Alter von dreizehn Jahren, dachte sie. Niemand, der ihm ein Vorbild gewesen wäre. Der ihn berührt hätte. Niemand.
Sie seufzte. »Ich könnte eine
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