Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
Nur, um sich daran zu erinnern, welche Nacht heute war.
»Oh, verdammter Mist! Es ist Vollmond, nich’?«
»Das ist es in der Tat. Gut, dass wir gemütlich zusammen hier drinnen sind, nicht wahr, Liebster?«
Lord Maccon spitzte die Lippen, während er zu entscheiden versuchte, was er tun sollte. Er hatte den ganzen Tag verschlafen, dabei hatte er sich eigentlich vor Mondaufgang auf seinem Weg zurück zum Verlies machen wollen. »Ich habe Anweisungen gegeben, dass Biffy von Lyall und Channing vor Sonnenuntergang nach Woolsey zurückgebracht wird, aber ich sollte mich selbst dorthin begeben.«
»Zu spät, der Mond ist bereits aufgegangen.«
Er knurrte, wütend über sich selbst. »Würde es dir schrecklich viel ausmachen, mich zu begleiten? Der Weinkeller hier mag zwar einen jungen Welpen halten, aber mich nicht. Und ich sollte bei ihm sein, besonders heute Nacht. Auch wenn ich selbst in Raserei verfalle, wird meine Anwesenheit ihn beruhigen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass du die ganze Nacht mit mir körperlich verbunden sein willst.«
Alexia zwinkerte ihm flirtend zu. »Weißt du, würde ich mich nicht in diesen Umständen befinden, hätte ich nichts dagegen. Aber abgesehen davon muss ich wirklich mit meinen Ermittlungen vorwärtskommen. Ich muss Madame Lefoux ein paar Papiere zurückbringen, außerdem stehe ich wieder am Anfang und muss die Gespenster befragen. Diese Schwangerschaft macht mich wirklich zerstreut. Ständig übersehe ich Dinge, und außerdem hätte mich die Vergangenheit nicht derart ablenken dürfen.«
Lord Maccon machte sich nicht die Mühe, ihr zu widersprechen. Dabei war seine Frau seiner Meinung nach mit ihrem verstauchten Knöchel und hochschwanger nicht in der Lage, solche Ermittlungen aktiv zu führen. Doch da Vollmond war, konnte er nichts anderes tun, als sie beschatten zu lassen, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Was er natürlich schon während der letzten zwei Wochen getan hatte.
Einen Augenblick lang dachte er darüber nach, sich irgendeine Ausrede einfallen zu lassen, warum sie auf Woolsey bleiben musste, doch schließlich knurrte er nur: »Also gut. Aber bitte, sei vorsichtig.«
Lady Maccon grinste. »Aber, mein Liebster, das ist doch so überaus langweilig.«
Lord Maccon knurrte erneut.
Alexia küsste ihn auf die Nasenspitze. »Ich werde brav sein, versprochen.«
»Warum werde ich immer ganz nervös, wenn du das sagst?«
Über dem Gespenst feierten die Sterblichen, dass sie am Leben waren.
Sie liefen umher, in Schuhen und Korsetts, die ihre Beweglichkeit einschränken – Mode für Beute. Sie tranken (und wurden blau wie Forellen), pafften Zigarren (und wurden geräuchert wie Schinken) und benahmen sich wie die Nahrung, die sie waren. Wie dumm, dachte das Gespenst, dass sie solche profanen Dinge nicht erkennen konnten.
Unsterbliche huldigten dem Vollmond mit Blut. Manche tranken es aus Kristallgläsern, andere schlugen ihre Zähne in das Fleisch der Sterblichen. Trotz der alten Griechen und ihrer Opfergaben vor langer Zeit gab es kein Blut für Gespenster. Nicht wirklich. Nicht mehr.
Die Erscheinung konnte sich selbst weinen hören. Nicht den Teil von ihr, der sich an sich selbst erinnerte. Irgendeinen anderen Teil, der Teil, der im Äther verschwand.
Sie wünschte, sie hätte mehr die Natur des Übernatürlichen studiert und weniger die technische Welt. Sie wünschte, ihre Leidenschaften hätten sie zu einem Wissen geführt, das es ihr erlaubte, das Gefühl der Deanimation mit Würde zu ertragen. Aber im Tod war keine Würde.
Und sie war allein.
Vielleicht aber war das auch ganz gut so, unter solch schmachvollen Umständen.
11
Haarwärmer kommen groß in Mode
L ady Maccon begleitete ihren Mann heim nach Woolsey Castle und sorgte dafür, dass er dort sicher im gut befestigten Verlies eingesperrt wurde. Er teilte sich eine Zelle mit Biffy, wo beide rasend die Wände ihres ausbruchssicheren Gefängnisses – und einander – attackierten. Es war nicht möglich, dass sie sich gegenseitig bleibende Schäden zufügten, dennoch konnte Alexia es nicht ertragen, dabei zuzusehen.
»Es ist schon eine seltsame Welt, in der wir leben, Rumpet.« Der Woolsey-Butler half ihr zurück in die Kutsche, damit sie in die Stadt zurückkehren konnte. Die Kutsche des Woolsey-Rudels war während des Vollmondes hübsch herausgeputzt: Schleifen waren an die Dachreling gebunden, das Wappen frisch poliert und ein Gespann aus perfekt aufeinander abgestimmter Brauner
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