Fey 01: Die Felsenwächter
Fisch. Emaque hatte Angst, daß er wieder anfangen würde, im Kreis zu schwimmen, aber das tat er nicht. Er schwamm in Richtung Oberfläche. Über ihnen, ein Stück zurück, erblickte Emaque den Rumpf der Uehe. Undefinierbare Schatten versperrten dem trüben Oberflächenlicht den Weg, aber Ze hatten keine besonders guten Augen.
Dort, wo der Fluß sich in das Infrin-Meer ergoß, wechselten sich kalte und wärmere Wasserströme ab. Die Wirbel zerrten am Körper des Ze, und der kleine Fisch schwamm noch höher, als wollte er sich aus ihnen befreien. Die Uehe folgte ihnen: Bedeutete das, daß Imatar endlich einen Funken fremder Intelligenz erwischt hatte? Oder nur, daß sein Funken noch mehr Widerstand leistete als Emaques Ze?
Erreichen diese Strudel die Oberfläche?
MANCHE. SCHNELL. SCHNELL BEWEGEN. DANN SICHERHEIT.
Emaque mußte einen Augenblick nachdenken, bevor er verstand. Man war nur in Sicherheit, wenn man sich schnell bewegte. Er hoffte, daß die Uehe ausreichend Fahrt machte.
Die anderen Schatten, die das Wasser verdunkelten, schienen näher zu kommen. Unter ihnen tanzte ein Eer in den wirbelnden Strudeln. Der Ze schwamm noch schneller; seine Gefährten schwärmten aus, als wollten sie den Räuber ablenken. War Emaque in einen besonderen Ze eingedrungen? Oder wußten sie alle, daß etwas passieren würde? Er hatte noch nie gesehen, daß Fische sich so verhielten. Er gab sich selbst das Versprechen, falls er überlebte, mehr über die Lebewesen, die er besetzte, zu lernen.
Unrat trübte das Wasser: Algenreste, Fischkot und Treibgut von der Wasseroberfläche, Blätter, Gras und tote Käfer. Jetzt waren sie der Oberfläche schon ziemlich nahe. Durch die Augen des Fisches konnte er die fremden Umrisse deutlicher erkennen.
Schiffsrümpfe. Aber nicht von Fey. Kleine Boote.
Inselbewohner.
Sie haben uns umzingelt! sandte er Kapad.
Mach weiter, antwortete der Steuermann. Die Probleme über Wasser kannst du uns überlassen.
Aber die Boote sind nur klein. Er wußte, daß kleine Boote sich manchmal beim Aufstöbern feindlicher Schiffe verirrten.
Die Felsenwächter liegen vor uns.
Emaque konnte sie nicht sehen. Der Unrat im Wasser tanzte vor seinen Augen. Der Ze richtete seinen Blick jetzt wieder nach unten. Offensichtlich wollte er den Eer im Auge behalten.
Er schwamm über mehrere kleine Strudel hinweg, die an seinem Körper zerrten.
Schwimmen wir an der Oberfläche durch die Felsenwächter? fragte Emaque.
BODEN SCHARFE FELSEN. NICHT SICHER. SICHER BEI LUFT.
Kein Wunder, daß die Seefahrer sich schon seit vielen Jahrzehnten an die Ze hielten. Die Fische fürchteten sich davor, daß die Strömung sie gegen die Felsen schleudern könnte.
Ihr Mächte! Kapads Gedanke war scharf und kam plötzlich.
Was ist passiert? erkundigte sich Emaque, aber er bekam keine Antwort. Kapad! Kapad!
Schließlich schwach: Schwimm weiter. Wir haben es fast geschafft …
Dann nichts mehr. Aber er konnte nicht tot sein. Starb ein Mann während einer Verbindung, konnte auch der andere nicht weiterleben. Kapad mußte noch am Leben sein, aber er hatte aufgehört zu senden. Vielleicht mußte er seine ganze Konzentration aufwenden, um sowohl Imatars als auch Emaques Wahrnehmungen umzusetzen.
Jetzt ragten, zerklüftet und bedrohlich, die Felsenwächter vor ihnen auf. In Wirklichkeit handelte es sich um einen einzigen Felsen mit zahllosen scharfen Riffen, Höhlen und Einschnitten. Auf der Hinfahrt hatte ein Ze versucht, die Schiffe durch eine Höhle zu führen: In letzter Sekunde konnte der zuständige Seefahrer ihn verlassen und sich einen anderen Wirt suchen.
Auf der porösen Oberfläche des Felsens wuchsen Algen. Manche Halme waren so lang und fein wie Haare. In seiner Panik gönnte ihnen der Ze kaum einen Blick.
DUNKEL! schrie er. DUNKEL!
Erst dachte Emaque, er meine die Wächter, aber dann verstand er. Das Wasser um sie herum hatte sich dunkel verfärbt, als hätte sich der Regen in Blut verwandelt.
Emaque verspürte den Drang, nach oben zu schwimmen, in seinen eigenen Körper zurückzukehren. Nein. Endlich hatten sie die Felsenwächter erreicht. Sie waren diesem schrecklichen Ort fast entkommen. Fast.
Jetzt schwamm der Ze noch rascher auf die Felsen zu. Er hielt sich so dicht an der Oberfläche, daß seine Rückenfinne die Wellen zerteilte. Die Luft fühlte sich so kühl an wie sonst Wasser, wenn Emaque sich in seinem eigenen Körper befand. Der Ze nahm Kurs auf eine Öffnung zwischen den Wächtern, vor der der Ze auf
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