Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
noch immer die Anwesenheit ihres Urgroßvaters. Sie hörte ihn fluchen, während Sebastian ihn wegzerrte.
Sebastian.
Er lebte noch.
Er hatte etwas vor.
So beweglich und tatkräftig hatte Arianna Sebastian noch nie gesehen. So klar und deutlich hatte er noch nie gesprochen. Oh, wie sie ihn vermißt hatte.
Auch diesen Tunnel hatte sie vermißt, obwohl sie noch nie hiergewesen war.
Jedenfalls nicht bewußt.
Trotzdem fühlte sie hier sowohl sich selbst als auch Sebastian. Als hätte der Tunnel in ihren Träumen schon längst existiert, bevor sie ihn jetzt, in wachem Zustand, endlich betrat. Das hier war es, was ihre Herzen vereinte. Dieser Ort strahlte die Zuneigung aus, die sie seit Ariannas Geburt füreinander empfanden.
Hier schlummerten Ariannas Erinnerungen, ihr erster Blick in Sebastians Gesicht. Die Anstrengung, mit der seine Lippen ihren Namen formten. Seine Hand, kühl, hart und tröstlich, die ihre Hand hielt.
Weiter vorn befand sich Rugad, ihr und Sebastians Urgroßvater. Worüber dachte er nach?
Über Flucht.
Arianna raffte sich auf und folgte dem Tunnel. Hinter sich spürte sie ihren sich Verwandelnden Körper. Natürlich. Sie war ja nicht mehr da, um ihre Eidechsengestalt aufrechtzuerhalten. Sie war nicht mehr da, um ihren Körper zu kontrollieren.
Innerlich zerrissen, drehte sie sich um. Würde ihr Körper sich für eine endgültige Gestalt entscheiden oder zwischen vielen Gestalten hin und her springen wie der Körper eines Gestaltwandlerkindes?
Vor sich fühlte sie den Zorn ihres Urgroßvaters, gemischt mit Sebastians Verzweiflung. Auch Sebastian dachte über etwas nach … etwa darüber, ob er ihren Urgroßvater töten sollte?
Sebastian?
Der sogar über den Tod der Fey in Tränen ausgebrochen war, die versucht hatten, ihn und Arianna umzubringen?
Sebastian?
Die Verwandlung erschütterte die Verbindung.
Ariannas Urgroßvater hatte Angst, nicht wieder in seinen eigenen Körper zurückkehren zu können! Offenbar war es gefährlich, ungeschützt in diesem Tunnel zu bleiben.
Arianna mußte in ihren eigenen Körper zurückkehren und die Verwandlungen wieder unter Kontrolle bekommen. Dann erst konnte sie weiter vordringen und Sebastian helfen. Wenn ihr vorher etwas zustieß, konnte sie nichts ausrichten.
Arianna trat den Rückweg durch die Verbindung an. Hinter ihr baute sich ein seltsamer Druck auf, der ihr bekannt vorkam. Das Licht wurde immer heller. Die feinen Härchen auf ihrem Nacken … ihrem imaginären Nacken … sträubten sich. Sie warf einen Blick über die Schulter zurück und sah nichts als gleißende Helligkeit.
Ihr Urgroßvater verfiel nicht in Panik, dazu war er zu klug, jedoch war er beunruhigt. Aber er blieb besonnen und versuchte, einen Weg nach draußen zu finden. Einen Weg nach draußen, bevor …
Bevor …
Bevor Sebastian in tausend Stücke zersprang.
Nein! schrie Arianna und rannte zurück zu Sebastian, mitten in das Licht hinein. Erst war sie geblendet, aber dann begriff sie, daß sie hier drinnen alles aushalten konnte. Sie konnte alles überleben, weil sie keinen physischen Körper besaß.
Aber dieses Licht drohte sie zu zermalmen. Es war zu stark.
Das Licht kam immer näher, hielt Arianna zurück, bremste sie. Ganz gleich, wie sehr sie es versuchte, sie kam keinen Schritt voran.
Sebastian! brüllte sie in der Hoffnung, daß er sie hören konnte.
Das Licht war heiß, viel zu heiß für den Tunnel. Es kam von Sebastian. Arianna erkannte es wieder und erinnerte sich. Sie sah jetzt wieder vor sich, wie dasselbe Licht einst aus den Rissen in seiner Haut gesickert war, aus seinen Augen, aus seinem Mund, und sie erinnerte sich auch daran, was als nächstes passiert war.
Er war zersprungen.
Nein! schrie sie wieder.
Er tat es für sie. Er wollte sie vor ihrem Urgroßvater beschützen. Genau wie er erst vor ein paar Wochen ihren Vater beschützt hatte.
Sebastian!
Aber ihre Schreie hallten zu ihr zurück, als sei das gleißende Licht eine feste Wand. Arianna warf sich dagegen, prallte zurück.
Noch einmal warf sie sich dagegen …
… und das Licht funkelte so gleißend wie Sonnenlicht auf einer Wasseroberfläche, weißer als alles, was Arianna je gesehen hatte. In seiner Mitte erblickte sie Sebastian, die grauen Augen geschlossen, das Gesicht verzerrt, die Fäuste geballt.
Da explodierte das Licht um sie herum und schleuderte sie mit solcher Gewalt wieder in ihren eigenen Körper zurück, daß sie rückwärts an ihren Augen vorbeiflog, vorbei an dem Teil
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