Fey 09: Die roten Klippen
für einen Marsch zu den Klippen vorbereitet sein. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
Die Generäle nickten. Sie schienen nur noch auf Rugads Befehl zum Abtreten zu warten.
Aber so weit war er noch nicht.
»Noch ein letztes Wort: Ich betrachte die nächsten Tage als entscheidend in unserem Kampf um die Blaue Insel. Gelingt es uns nicht, diese Insel innerhalb einer Woche zu erobern, Nicholas’ Kopf auf einer Lanze aufzuspießen und jeden Widerstand zu ersticken, ist unser gesamtes Imperium in Gefahr. Ohne die Blaue Insel können wir nicht nach Leutia weiterziehen. Dies ist die schwierigste Schlacht, die wir je geschlagen haben, mein Leben und das Kendrads eingeschlossen. Ich dulde kein Versagen, der Sieg wird um jeden Preis erzwungen. Habt ihr mich verstanden?«
»Ja«, sagte Kendrad, und es bestand kein Zweifel daran, daß sie für alle sprach.
»Ausgezeichnet«, stellte Rugad fest. »Abtreten.«
Sie erhoben sich. Stühle wurden quietschend über den Boden geschoben.
»Kendrad, bleib noch einen Moment. Ife, bring die Irrlichtfänger her.«
»Ja, Herr«, sagte Ife, schon auf dem Weg zur Tür.
Kendrad war neben ihrem Stuhl stehengeblieben. Rugad wartete, bis alle anderen den Raum verlassen hatten, bevor er zu ihr hinging. Mißtrauisch blickte er sich um. An der Tür standen zwei Wachtposten.
»Befehl zum Abtreten«, sagte Rugad kurz.
Sie deuteten ihre Verbeugungen an und verließen das Zimmer.
»War das klug?« fragte Kendrad leichthin. Seit sie beide Jugendliche gewesen waren, stellte sie sein Urteil in Frage, und Rugad hatte es immer zugelassen. Ihr Urteil war häufig klug und besser als seines, obwohl ihr die große visionäre Kraft des Schwarzen Königs fehlte.
Er lächelte. »Du hast keine Goldflecken in den Augen.«
»Inselbewohner haben diese Begabung nicht.«
»Ach, wirklich?« fragte Rugad. »Sonst fehlt es ihnen ja an fast nichts.«
»Da hast du recht«, stimmte Kendrad zu.
Rugad trat ans Fenster. Das Feuer brannte immer noch. Gelegentliche Stichflammen ließen die Flammen hoch aufzüngeln, bevor sie wieder in sich zusammenfielen.
»Wenn du die Blutklippen erreichst, müßten die Kämpfe dort bereits im Gange sein«, sagte er.
»Ich weiß.« Kendrad trat neben ihn ans Fenster und spähte mit zusammengekniffenen Augen zum weit entfernten Feuer.
»Als erstes mußt du Boteen ausfindig machen«, mahnte Rugad. »Er hat eine Irrlichtfängerin geschickt, um mir von meinen Urenkeln zu berichten, aber die Botin hat noch etwas anderes gesehen. Boteen hat ihr verboten, darüber zu reden.«
»Worum handelt es sich deiner Meinung nach?« fragte Kendrad. Das war der zweite Grund, aus dem er zu den Blutklippen hatte gehen wollen, und aus demselben Grund hatte Rugad heute morgen, nachdem die Welle über sie hinweggezogen war, beschlossen zu bleiben.
»In dieser Gegend sind die Felsen hoch, und es existiert dort jede Menge wilde Magie. Meine Urenkel sind mächtiger als alle Fey vor ihnen.«
»Ich dachte, das käme daher, daß sich Fey-Blut mit fremdem Blut vermischt hat«, entgegnete Kendrad. »Das hat uns seit jeher stärker gemacht.«
»Aber es macht uns nicht zu anderen Fey«, wandte Rugad ein. »Meine Urenkelin besitzt zwei magische Fähigkeiten. Sie ist Visionärin und Gestaltwandlerin zugleich. Außerdem gibt es einen Inselbewohner – Boteen sagt, es könnten sogar zwei sein – die über die Macht eines Zaubermeisters verfügen.«
»Offenbar soll ich jetzt daraus denselben Schluß ziehen wie du«, erwiderte Kendrad trocken.
Rugad nickte kurz. »Boteens Irrlichtfängerin hat meine Urenkel in einer Höhle entdeckt. Sie wollte mir nicht mehr darüber erzählen, weil Boteen sie darum gebeten hat. Er hat ihr nur aufgetragen, mir zu berichten, er würde diese Höhle erforschen.«
»Die Höhle?« Kendrads Stirnrunzeln wurde immer nachdenklicher.
»Boteen ist der Ansicht, daß meine Kinder diesen Ort nicht verlassen werden.« Rugad wiegte sich auf den Fersen, während sein Herz merkwürdig heftig pochte. Es war schwierig, offen zu reden. Wenn er sich täuschte, würden sich alle über ihn lustig machen. »Ich glaube, daß sie sich an einem Ort der Macht versteckt halten.«
Kendrad drehte sich so schnell zu ihm um, daß sie ein wenig schwankte. »Ich dachte immer, die beiden anderen Orte der Macht seien nichts als Legenden.«
Rugad lächelte. »Wieso denn? Warum sollten die Fey einmalig sein? Es wäre doch sehr überheblich, so zu denken.«
»Aber wenn sie einen Ort der Macht haben,
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