Fieber
kein gewöhnlicher Fall. Ich wollte versuchen …«
»Versuchen!« schrie Charles. »Hören Sie zu, Dr. Keitzman.« Drohend stieß er seinen rechten Zeigefinger vor. »Meine Tochter ist nicht hier, damit Sie irgend etwas mit ihr versuchen. Was Sie wirklich sagen wollen, ist doch, daß Michelles Chance auf eine Remission so klein ist, daß Sie sogar bereit sind, mit ihr herumzuexperimentieren.«
»Charles!« rief Cathryn. »Das ist ungerecht.«
Aber Charles achtete nicht auf sie. »Tatsache ist doch, Dr. Keitzman, daß Sie längst sicher sind, daß sie die Krankheit nicht überleben wird. Sie sind sich so sicher, daß Sie sogar Ihre orthodoxe Chemotherapie aufgegeben haben. Sehen Sie, und ich bin mir nicht sicher, ob Ihre Experimentiererei Michelles Chancen nicht noch geringer werden läßt. Was ist denn mit ihrem Herz? Michelle hat nie Herzprobleme gehabt. Aber löst nicht Daunorubicin solche Probleme aus?«
»Ja«, gab Dr. Keitzman zu. »Aber gewöhnlich nicht so schnell. Ich weiß nicht, was ich von dem Vorfall zu halten habe. Deshalb ist ja auch ein Kardiologe hinzugezogen worden.«
»Und ich denke, die Medikamente sind schuld«, sagte Charles. »Ich habe der Chemotherapie zugestimmt, aber ich bin davon ausgegangen, daß Sie die Medikamente in normalen Dosen verabreichen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Verdoppelung der Dosen zustimmen kann.«
»Wenn es so ist, dann sollten Sie vielleicht einen anderen Onkologen bemühen«, meinte Dr. Keitzman müde. Er stand auf und sammelte seine Unterlagen von dem Tisch neben ihm. »Oder führen Sie die Behandlung doch selbst durch.«
»Nein! Bitte!« sagte Cathryn. Sie ließ Charles los und griff nach Dr. Keitzmans Arm. »Bitte, Dr. Keitzman. Charles sorgtsich doch nur um Michelle. Sie dürfen uns nicht allein lassen.« Verzweifelt wandte sie sich an Charles. »Die Medikamente sind Michelles einzige Chance, Charles.« Sie sah wieder zu Dr. Keitzman. »Das stimmt doch, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt«, sagte Dr. Keitzman. »Auch wenn es eine ungewöhnliche Methode ist, die Intensivierung der Chemotherapie ist die einzige Hoffnung, noch eine Remission zu erzielen. Und wir müssen sie schnell erzielen, wenn Michelle diese akute Phase überleben soll.«
»Was schlagen Sie vor, Charles«, fragte Dr. Wiley. »Nichts zu tun?«
»Die Krankheit wird nicht nachlassen«, sagte Charles düster.
»Das können Sie nicht sagen«, erwiderte Dr. Wiley.
»Es ist ihre einzige Chance«, sagte Cathryn.
Charles trat einen Schritt zurück. Er sah die anderen an, als ob sie ihn zwingen wollten, sich zu unterwerfen.
»Was denken Sie denn, wie Michelle behandelt werden sollte?« fragte Dr. Wiley wieder.
»Allein können wir ihr doch nicht helfen, Charles«, sagte Cathryn flehend.
Eine Stimme in Charles schrie, daß er einfach davonlaufen sollte. Hier im Krankenhaus, so nahe bei Michelle, konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Die Vorstellung, Michelle noch zusätzlichen Leiden auszusetzen, war eine Qual, doch die Entscheidung, sie einfach sterben zu lassen, ohne um sie gekämpft zu haben, war genauso abschreckend. Es blieb ihm keine Wahl. Dr. Keitzman hatte recht, solange noch Hoffnung auf eine Remission bestand. Aber wenn es nicht mehr möglich war, die Krankheit zum Abklingen zu bringen, dann würden sie das sterbende Kind völlig sinnlos quälen. Mein Gott!
Plötzlich drehte Charles sich um und ging mit schnellen Schritten aus dem Zimmer. Cathryn lief ihm sofort hinterher. »Charles! Wo gehst du hin? Bitte, Charles, geh nicht fort! Laß mich nicht allein.«
Erst an der Treppe wandte er sich um und griff nach Cathryns Schultern. »Ich kann hier nicht nachdenken, und ich weiß nicht, was richtig ist. Jede Entscheidung ist schlimmer als die andere. Ich habe das alles schon einmal erlebt. Und die Erfahrung macht es nicht leichter. Ich muß jetzt erst einmal zu mir selbst finden. Es tut mir leid.«
Überwältigt von einem Gefühl der Hilflosigkeit sah Cathryn zu, wie Charles durch die Tür zum Treppenhaus verschwand. Sie stand allein in dem lauten Flur. Wenn es sein mußte, das wußte sie, dann würde sie mit der Situation fertig werden. Selbst wenn Charles es nicht konnte. Um Michelles willen mußte sie es. Langsam ging sie zurück zur Schwesternstation.
»Das merkwürdigste ist«, sagte sie mit zitternder Stimme, »daß Sie beide alles vorausgesehen haben.«
»Es mag ungerecht klingen, aber leider haben wir schon ähnliche Erfahrungen mit Arztfamilien machen müssen«, sagte
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