Fillory - Die Zauberer
nur, falls es dich interessiert, Penny: Wir haben ein ganzes Wochenende dazu gebraucht, diesen Schutzschild aufzubauen.«
Er überprüfte es kurz: Penny hatte recht, die Verteidigungszauber rund um die Wohnung waren weg, so spurlos verschwunden, dass sie ihn nicht mal alarmiert hatten, als sie entfernt wurden. Quentin konnte es kaum glauben. Penny musste ihren Schild von außen weggenommen haben, im Vorbeigehen, aus dem Stand heraus, in gerade mal der Zeit, die er brauchte, um zehn Stockwerke mit dem Aufzug raufzufahren. Quentin verzog keine Miene – er gönnte Penny den Triumph nicht, ihm zu zeigen, wie beeindruckt er war.
»Und der Schlüssel?«
Penny grub ihn aus der Hosentasche und warf ihn Quentin zu.
»Habe ich eurem Portier abgenommen.« Er zuckte mit den Schultern. »So was lernt man auf der Straße.«
Quentin lag die Bemerkung auf der Zunge, dass die fragliche »Straße« wohl eher eine Allee in einer ummauerten Villensiedlung gewesen war und dass es außerdem nicht sehr schwer sein konnte, einem schlafenden Portier einen Schlüssel abzunehmen, wenn man von Cholmondeleys Tarnzauber geschützt war. Aber das alles schien so unwichtig zu sein und die Worte waren einfach zu schwer, um sie über die Lippen zu bringen. Sie lagen ihm wie Steinblöcke im Magen, die er buchstäblich hätte hochhusten und rauswürgen müssen. Scheiß auf Penny, er vergeudete seine Zeit. Er musste mit Alice reden.
Doch bis dahin hatten die anderen Pennys Stimme gehört. Richard kam aus der Küche geschlendert, wo er saubergemacht hatte. Er war schon längst wach und nervtötend geduscht, frisiert, geschniegelt und gebügelt. Bald darauf kam Janet aus Eliots Zimmer, königlich in eine Steppdecke gewickelt, als sei letzte Nachts nichts Außergewöhnliches passiert. Sie quietschte, als sie Penny sah, und verschwand ins nächste Badezimmer.
Quentin erkannte, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich anzuziehen und sich auf die Situation einzustellen. Es war helllichter Tag und damit war auch die Welt des Scheins, der Lügen und der Heucheleien erwacht, so als sei alles in bester Ordnung. Sie würden zusammen Rühreier braten und darüber reden, wie verkatert sie waren, sie würden Sekt mit Orangensaft und Bloody Marys mit extra viel Tabasco und Pfeffer trinken und so tun, als sei nichts Schlimmes geschehen, als habe Quentin nicht mal eben so Alice das Herz gebrochen, aus keinem anderen Grund als dem, dass er besoffen gewesen war und Lust dazu gehabt hatte. Und – so unglaublich, so unvorstellbar es war – sie würden sich anhören, was Penny zu sagen hatte.
Penny war Quentin und Alice um ein Jahr hinterher, aber am Ende seines Vierten Studienjahres hatte er beschlossen, dass Brakebills ihn alles gelehrt hatte, was es vermochte. Er verließ die Schule und zog sich in eine kleine Stadt in Maine zurück, einige Meilen nördlich von Bar Harbor. Die Stadt nannte sich Oslo und war nichts weiter als ein schäbiges kleines Feriendorf, das in der Nebensaison achtzig Prozent seiner Einwohner verlor. Dies erklärte er seinem kleinen Publikum, das sich nunmehr bekleidet im Wohnzimmer versammelt hatte. Mit Bechern und Tellern ausgestattet, standen sie, lagen der Länge nach auf der Couch oder saßen im Schneidersitz auf dem Boden, je nachdem, wie es ihnen ihr körperlicher Zustand erlaubte.
Penny hatte Oslo ausgewählt – nicht mal Neu Oslo, nur Oslo, als hätten die Gründer geglaubt, den Namen erfunden zu haben –, weil es dort absolut nichts gab, was ihn hätte ablenken können. Er traf Mitte September ein und es gelang ihm problemlos, eine kleine Farm zu mieten, die am Stadtrand an einer schmalen Landstraße lag. Sein Vermieter, ein pensionierter Lehrer, händigte ihm die Schlüssel aus und floh anschließend in sein Winterquartier in South Carolina. Pennys nächste Nachbarschaft bestand aus einer Holzkirche der Pfingstbewegung ohne Gemeinde und einem verlassenen Sommerlager für verhaltensauffällige Jugendliche. Einfach perfekt. Er hatte sein Walden gefunden.
Er hatte alles, was er brauchte: Stille, Einsamkeit und einen Umzugscontainer mit einer beneidenswerten Bibliothek. Sie umfasste magische Codices, Monographien, Unterhaltungsliteratur, Standardwerke und Zeitungen. Er verfügte über einen massiven Schreibtisch, ein helles Arbeitszimmer und ein Fenster mit wenig idyllischem Ausblick auf einen verwilderten Garten, den man sich nicht näher ansehen mochte. Penny arbeitete an einem überschaubaren, aber faszinierend
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