Filmwissen
eigenwillige, nicht-lineare Weise zu drehen. So entstanden nicht allein Bücher, Comics und Filme mit dem Etikett «Steampunk», sondern eine ganze Szene, komplett mit eigenen Dresscodes, eigenen Modelinien und eigener Musik.
Den Mainstream erreichen freilich in erster Linie «milde» Formen des Retro-Abenteuers, vor allem in der Form von Remakes und Sequels, die die Steampunk-Codes (vor allem ein Vergnügen am gleichsam nach außen gekehrten Innenleben der Maschinen, die sich ästhetisch und semiotisch glänzend in den Vordergrund schieben, und ein Spaß an Anachronismen) eher am Rande einsetzten. Ein weiteres Element dieser Retro-Mode ist die Reflexion der Entstehungszeit ihrer Vorlagen. Eine neue Variante von She ( She – Herrscherin der Wüste ; 2000, Regie: Timothy Bond) zum Beispiel führt in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Drei Briten machen sich von Palästina aus auf die Suche nach der sagenumwobenen ägyptischen Stadt Kuma. In der Wüste geraten sie in das Reich der unsterblichen Königin Ayesha, die in einem von ihnen den Liebhaber erkennt, der wie sie das ewige Leben erhalten soll. Die Ansätze zur Selbstreflexion des phantastischen Abenteuers (deren Vorlage nun wahrlich einige krause Elemente sehr zeitbezogener Paranoia enthält) bleiben auch hier sehr rasch im Trash-Appeal des ganzen Unternehmens stecken: Zwei Strategien geraten sich da gegenseitig ins Gehege, das «Camp»-Vergnügen am Schrägen und Schrillen und die Nostalgie und heimliche Sehnsucht des Steampunk. Der Aspekt der Selbstaufklärung mit den bewährten Mitteln der Ironie, des Hypertextes und der historischen Grundierungen bleibt da schon leicht auf der Strecke.
Mit sichtlichem Vergnügen dagegen variierte Frank Coraci in seiner neuen Version von Around the World in 80 Days ( In 80 Tagen um die Welt ; 2004) die Vorläufer, teils in satirischen Überdrehungen, teils im Rückgriff auf Jules Verne, teils in Anwendung neuer filmtechnischer Mittel und teils schließlich in einem durchaus stilvollen Bekenntnis zur Steampunk-Ästhetik. Hier wird Phileas Fogg (Steve Coogan) zu einem eher verschrobenen als versnobten (und übrigens ziemlich jungen) Londoner Erfinder, der sich vor allem mit dem Traum vom Fliegen und der Elektrizität beschäftigt (und ganz nebenbei den Inlineskater erfindet), und Passepartout (Jackie Chan) ist ein Karate kundiger Sidekick, der die Reise für eine ganz eigene Mission nutzt. Dritte im Bunde ist die emanzipierte, Abenteuer suchende Künstlerin Monique (Cécile de France). Dem Tempo des Unternehmens schadet es nicht, dass alle drei Hauptfiguren, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise, beständig agieren als seien sie so übermotiviert, dass sie den Rand zur Hysterie überschreiten. Um sich und seine Erfindungen zu rehabilitieren, lässt sich Fogg auf eine Wette mit Lord Kelvin (Jim Broadbent) ein, die Welt in achtzig Tagen einmal zu umrunden und je mehr dieses Unternehmen sich einem positiven Ausgang nähert, desto bösartiger werden die Versuche des Lords, es zu sabotieren (denn auch dieser Lord, der Leiter der Königlichen Akademie der Wissenschaften, hat in diesem Film sinistre Nebenabsichten, die schließlich nur durch das persönliche Auftreten von Queen Victoria durchkreuzt werden).
Auch die Serie der Neuverfilmungen des Stoffes um Die Mumie wurde mit einer bedeutenden Beimischung von Fantasy und kolonialem Abenteuer als anachronistisches Retro-Unternehmen inszeniert. The Mummy ( Die Mumie ; 1999, Regie: Stephen Sommers) erzählt von dem Abenteurer Rick (Brendan Fraser), der sich zusammen mit der Hobbyarchäologin Evelyn (Rachel Weisz) auf den Weg zur Totenstadt Hamunapatra macht. Dort findet sie das Totenbuch und liest unglücklicherweise laut daraus vor, woraufhin Imhotep (Arnold Vosloo) zum Leben erwacht, dessen Geschichte wir zuvor erfahren haben: In der altägyptischen Herrschaft erwies sich der Hohepriester als illoyal und schurkisch und wurde deshalb verflucht und lebendig einbalsamiert. Alle Zutaten des Horror-Fantasy-Archäologie-Abenteuers sind vorhanden, aber alle sind auch gebrochen, unter anderem durch Helden, die das Geschehen gerne mit sarkastischen Onelinern kommentieren, durch Figuren, die zugleich «funktionieren» und dekonstruiert sind, durch reichlich Zitate und schließlich eine Art Familienpsychologie im Zentrum, die einmal mehr die «abenteuerliche Familie» feiert, eine paradoxe, schöne Konstruktion, die es in Tarzans Dschungel, bei der Schweizer Familie Robinson und
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