Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
auf einer Mülltonne, machte einen Buckel und bauschte den Schweif. »Wir haben uns heute versammelt, um Schluss zu machen mit der großen Lebenslüge unserer Zeit!«
»Bravo!«, rief einer vom Fenstersims herab.
»Ein Ende der Lügenpropaganda! Ein Ende der Diskriminierung und Verfemung!«
»Du sagst es!«, scholl es ihm entgegen.
» Wir sind die Entrechteten! Die Erniedrigten! Die Beleidigten und Geknechteten!«
»Hört, hört«, murmelte es aus der Versammlung.
»Und deshalb sage ich euch, hier und heute: Wir lassen uns nicht länger unterdrücken!«
Er sah beeindruckend aus. Und diese Stimme!
Endlich begriff Filou, was fehlte: Katzen. Wer sich hier versammelt hatte, waren die Kater der Umgebung. Und endlich verstand er auch, warum.
» Wir sind die Kater! Wir sind das Volk!«, schmetterte der große Schwarze.
»Sehr richtig!«, murmelten die anderen im Chor.
Diabolo senkte die Stimme. »Sie benutzen uns. Sie vergewaltigen uns. Und wenn sie uns nicht mehr brauchen, jagen sie uns fort!«
»Du sagst es!«, ertönte es aus allen Richtungen.
Mit einem eleganten Sprung brachte sich ein weiterer Kater auf der Mülltonne neben Diabolo in Position, ein großes, mächtiges Tier. Magnifico.
»Brüder. Wir müssen das Terrorregime der Katzen beenden. Wir wollen wieder Herr im eigenen Haus sein.«
Zustimmendes Gemurmel. Nur ein Jungkater wagte mit dünnem Stimmchen Einspruch. »Aber meine Maman …«
Filou stockte der Atem. Einige zischten. Andere lachten.
»Ach, die Maman! Komm wieder, Kleiner, wenn du erwachsen bist«, sagte Magnifico großmütig. »Deine Maman ist nicht das Problem. Maman können sie gut, die Weiber. Aber was danach kommt …«
Alles stöhnte und fauchte.
Filou hätte fast mitgefaucht und geklagt. So war es, genauso! Auch er ließ auf seine Maman nichts kommen, natürlich nicht. Aber wie tückisch Weiber sein konnten, das hatte er durch Luc erfahren. Dass sie einen benutzten und belogen und betrogen und verrieten, wo sie nur konnten. Plötzlich stieg eine unvertraute Wut in ihm hoch. Luc hatte ihn um alles gebracht, was er liebte. Sie hatte sich in seinem Paradies eingenistet und ihn daraus vertrieben. Sie war heimtückisch. Sie war egoistisch. Sie war böse.
»Sie beanspruchen die besten Bissen. Sie wollen Sex nur dann, wenn es ihnen passt. Sie verjagen uns, wenn sie bekommen haben, was sie wollen. Sie sind eine parasitäre, ausbeuterische Klasse. Sie müssen weg.«
Aus jedem Wort sprach die Wahrheit, fühlte Filou. Was er lange schon gespürt hatte – hier wurde es ausgesprochen. Einer der Kater trommelte mit den Pfoten auf die Mülltonne. Andere schlossen sich an. Ein frenetisches Getrampel setzte ein, das erst aufhörte, als über ihren Köpfen ein Fenster aufging und jemand »Ruhe!« schrie.
In diesem Moment trat Filou vor. Jetzt galt es. Jetzt musste er sich bekennen. Er landete mit elegantem Sprung direkt neben Diabolo. »Ich bin dabei«, sagte er einfach. »Ich bin betrogen und belogen worden, verraten und verjagt. Man hat mich um alles gebracht, Liebe, Heimat, regelmäßige Mahlzeiten …«
Es war mucksmäuschenstill. Dann räusperte sich einer der Kater. Garibaldi sprang neben Magnifico.
»Was willstu, Kleiner?«, blubberte er.
Filou hielt die Stellung. »Ich bin für die Revolution«, sagte er. »Ich bin gegen das Terrorregime der Katzen. Ich will kämpfen.«
»Gut«, sagte Diabolo. »Wir brauchen jeden Mann. Aber bist du überhaupt ein Kater?«
Einige da unten lachten. Garibaldi schob sich näher an ihn heran und senkte den dicken Kopf. Filou spürte, wie sich jedes Härchen in seinem Pelz aufrichtete. Er hörte es knistern, als sein Schwanz sich bauschte. Dann drehte er sich um und fixierte den Einäugigen.
Garibaldi nahm die Kampfansage an und starrte zurück. Ob er sich wohl benachteiligt fühlte, weil er nur ein Auge hatte, mit dem er den Gegner fixieren konnte? Sicher hob das seine Stimmung nicht. Filou machte sich besser aufs Äußerste gefasst.
Garibaldi legte die Ohren an und ließ ein anschwellendes Knurren hören. Diabolo und Magnifico sprangen herab. Jetzt standen sich nur noch zwei gegenüber, Mülltonne an Mülltonne. Er oder ich, dachte Filou. So ist das. So war es schon immer. Und so muss es wohl sein.
Er holte tief Luft. Er spürte, wie das Publikum zu Füßen ihres Kampfplatzes flüsterte und raschelte. Und dann ließ er los. Er begann mit einem einfachen Drohlaut, schraubte dann die Stimme langsam hoch, immer höher, zu einem erbitterten
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